Dass wir fleißig Bücher lesen und euch einen Eindruck vermitteln, was ihr von einem Buch zu erwarten habt, das seid ihr ja schon gewöhnt. Und ich hoffe, ihr wisst das zu schätzen. Heute haben wir es uns ganz einfach gemacht. Wir haben Udo Kewitsch gebeten, euch seine beiden Bücher AlpenCross selbst näher zu bringen.
Faszination Alpencross – „X“ – das große unbekannte Abenteuer
Zeit: 2002 bis heute
Disziplin: Biken
Ort: die Alpen
In der Mathematik steht das „x“ bekanntermaßen für eine Unbekannte. Unter Bikern ist das X gleichbedeutend anerkanntes Kürzel für Cross, genauer Alpencross, oder um im Jargon zu bleiben: AlpenX.
Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich steht ein X für viel mehr: Abenteuer, Adrenalin, Emotion, Endorphine, Glück, Kampf, Landschaft, Leidenschaft, Natur, Qual, Regen, Sonne, ZIEL und so vieles mehr.
Am Beispiel unseres Sieben-Seen-Cross (der „seensationelle“ Cross) von Lago Maggiore nach Riva will euch vermitteln, warum ein Mountainbiker sich sieben Tage lang knapp 15.000 Höhenmeter und 470 Kilometer von der Schweiz über Stock und Stein bis ins Trentino schindet. Ein Erklärungsversuch, ein Erfahrungsbericht aus allererster Hand. Nachzulesen auch in meinen beiden Büchern Faszination AlpenX Bd1 und Bd2.
Planung
Am Anfang steht jenes eingangs erwähnte X. Eine Tour entsteht jedes Jahr vorab im Geiste, man hat eine Vision und das eine Ziel vor Augen. Schöne Trails sollen es werden, landschaftliche Highlights und Gipfel gilt es zu erfahren und zu erstürmen. Sportlich legt der ambitionierte Biker sich von jeher die Latte gerne etwas höher. In Google Earth werden die ersten Abschnitte schon einmal virtuell abgeflogen, mit dem Leuchtstift auf der Kompasskarte, dann in eine Machbarkeitsstudie überführt.
Bereits ein paar Monate vor dem eigentlichen Start nimmt die Tour zunehmend Formen an, gewinnt an Profil und weckt mit jeder neuen Passage die Sehnsucht nach der Abfahrt. Zwischen Plan, Sehnsucht und Abfahrt hat der liebe Gott das Training – oder genauer ausgedrückt: den Schweiß – gesetzt. So ist es obligat zu erwähnen, dass etliche Trainingskilo- und Höhenmeter „geschrubbt“ werden, bis Plan und Praxis zumindest auf dem Papier im Einklang sind. Fakt ist jedes Jahr aufs Neue: ich will es wieder tun, mag mich schinden, mag genießen, mag in mich aufsaugen und am Ende will ich einen Eisbecher.
Es gilt als überliefert, dass aus berufenem Munde der Alpencross als „das letzte große Abenteuer der Neuzeit“ bezeichnet wurde. Vorweg soviel: es stimmt.
Juli
Wir nehmen unser Projekt in Angriff und sind bestens (aus)gerüstet. Früh am Morgen und frisch gestärkt starten wir am Lago Maggiore zum ersten Gipfelsturm. Die Südseite der Alpen und somit unser Seensüchtig-Cross ist nicht gerade dafür bekannt, Tummelplatz tausender Biker zu sein. So gesehen wird es eine einsame – aber hoffentlich sonnige – Woche werden.
Abrupt geht es kurz hinter Quartino nun auf einmal rampenartig und steilst hinauf. Zigtausende faust- und kopfgroße Kieselsteine säumen den breiten Karrenweg, dessen Überwindung sehr, sehr kräftezehrend ist. Wir beißen uns fest, die Laktatsuppe köchelt und auch weiter Richtung Monte Tamaro bleibt die Routenführung anspruchsvoll und kernig.
Nächster Stopp am Rif. Tamaro, jene kleine Hütte auf 1881m, die uns, frisch umweht von nepalesischen Gebetsfahnen, eine deftige Schweizer Jause und somit eine willkommene Rast verschafft. Unsere Muskeln haben sich beruhigt, der Wohlfühlfaktor unserer Ausrüstung bleibt – muss er auch, schließlich müssen 2 Trikots (eines am Körper, eines im unserem genialen Transalpin30) und 2 Bib-Shorts (dto.) für diese kräfteraubende Woche reichen.
Wir buckeln die Bikes auf knapp über 2000m und halten einmal mehr inne.
- weil es hier so schön ist,
- weil wir einfach um Atem ringen. Crossen kann mitunter anstrengend sein, aber so schön allemal.
Jetzt endlich geht es bergab. Was eben noch Trail war, bleibt nun erst recht ein Trail. Schlank und schmal führt der Steinpfad, zunächst bockig, dann zunehmend freundlicher ins Tal. Maximal lenkerbreit, mal steinig, mal ganz sanft waldboden-weich, immer wieder mit Bierkasten-hohen Stufen, aber stets gut beherrschbar. Phantastisch. Wir jauchzen und grooven abwärts, die Bremsen klingeln, die Federelemente vorne und hinten haben Stress. Konzentration ist vonnöten. Ziel erreicht: Lago Lugano. Wahnsinn. Wahnsinnig schön.
Der zweite Tag
Der Wecker holt uns zurück in die Wirklichkeit und nach einer kurzen Dusche und Recken aller Glieder erwachen auch die Lebensgeister langsam. Das Frühstück ist perfekt, Müsli, Obst und anständiges Brot mit energiespendendem Nutella.
Bis zum Ufer des beschaulich an den Hängen von Menaggio liegenden Comer Sees raubt uns der bisherige Streckenverlauf jedoch nicht sonderlich viele Körner. Comer See, der dritte Lago ist erreicht. Wir grinsen. Seepanorama und Uferblicke gepaart mit wunderschönen Bergkuppen: Biker, was willst Du mehr. Wir überqueren den See mit einer Fähre und folgen unserem GPS Track weiter in die Berge, mittlerweile haben wir bereits über 2000 Höhenmeter und gut 70 Kilometer vernichtet und die Sonne steht schon tief. Doch wir sind noch lange nicht am Ziel. Unser Ziel heißt „Rif. Tavecchia“ und liegt mit weiteren 900 Höhenmetern und 8 Kilometer in relativer Ferne.
Die sich lang und scharf ins Tal schneidende Schneise offenbart ein schroffes Bild, ein wilder Bachlauf hier, steile Flanken dort, rustikale Natur allerorten – alles in allem aber schön und ursprünglich. So kommen wir voran, langsam, aber immerhin. In solchen Momente reduziert sich Dasein auf die Kurbelumdrehung und der Blick richtet sich auf die nächste Kehre. Die Muskulatur verrichtet ihren Dienst, die Schweißporen sind offen und der Pulsmesser zeigt uns unsere Grenzen.
Und wie so oft – hat man es geschafft – schleicht sich dieses unendlich diebische Grinsen ins Gesicht – allen Zweifeln zum Trotz – ja: es geht, man kann alles schaffen, wenn man nur will und sich die Kräfte einteilt. Am Ende dieses Tages zeigt die Uhr stolze 3046 Höhenmeter an.
Tag 3
Direkt vis à vis vom Rifugio führt ein schmaler Pfad über Wurzeln, Stock und Stein steil den Bergrücken hinauf. „Wie bitte? – Da hoch?, Nee, oder?“ Doch, genau da hoch. Es dauert gefühlte 4 weitere Minuten, da schaffe ich es, schwer keuchend, den ersten Fluch auszustoßen. Und dabei sollte es zunächst bleiben. Man stelle sich vor: 5 Schritte schieben, stehenbleiben, keuchen, warten, bis die Atmung wieder stabilisiert, 5 Schritte schieben …. Und das wird die nächsten 500 Höhenmeter, also mindestens eine gute Stunde, so weitergehen. „
Die Wurzelknoten stehen im Weg, Steine, so hoch wie vier Treppenstufen sind zu erklimmen, der Weg ist schmal, schmäler und noch enger, schieben geht nur latent und überhaupt – wenn etwas körperlich belastet, dann diese Passage. Gibt es eine Reiseleitung, die meine Beschwerden ernst nimmt? Nein. Selbst geplant – kann ich bestenfalls mich schelten.
Die Belohnung
Nun kommt die Belohnung für unsere Mühen: das Highlight dieses Crosses liegt vor uns: der Zucco del Corvo. Bis dahin darf noch ein wenig getrailt werden. Konzentration und Fahrtechnik sind extrem gefordert, weitere Schiebe- und Tragesequenzen folgen – der Ritt auf dem Kamm entlang ist allein ein Video wert – und dann liegt er plötzlich vor uns: Zucco del Corvo. So wie er klingt, so ist er auch. Zwei zunächst unscheinbar wirkende Buckel, verbunden mit einem schmalen Grat, darauf die sich schlängelnde schmale Pfadlinie, über die wir surfen dürfen. An der Wand entlang geht es weiter in Richtung Passo Cedrino.
Wir sind happy – was will Mann mehr? Es folgt der Sahnetrail am Passo Cedrino. Weicher Waldboden, ein paar gewachsene „Wildkurven“ und sehr viel Flow. Herrlich. So muss Crossen sein.
Die Route leitet uns weiter über Steinbrocken, Stufen, Rampen, Sträucher und Gestrüpp, Wurzeln, kurzum: ein schlechter Trampelpfad ist Luxus dagegen. In unserem Logbuch steht das Wort „Drecksschinderei“. Das gleiche Spiel, 5 Schritte gehen, anhalten, schnaufen, 5 Schritte gehen. Furchtbar. Es dämmert. Wir müssen auf den Pass auf 1821m, kurz darunter liegt einmal mehr ein kleiner See, für den wir, leicht entkräftet nur wenig übrig haben. Schnell die wärmenden Jacken überwerfen, damit wir im kräftigen Wind nicht auskühlen.
Um Punkt 20 Uhr, über 2000 Höhenmeter später, treten wir in die kleine Alm, Alpe Corte. Zwei Radler, bitteschön. Essen fassen. Wir schlafen tief und fest.
Und weiter geht’s
So geht es dann auch an den folgenden vier Tagen weiter. Es folgen nicht nur traumhafte Trails und bilderbuchhafte Panoramen, sondern auch zermürbende Anstiege und alltäglich ein Pensum von über 2000 Höhenmetern.
Allein der vorletzte Tag am Passo Maniva empfängt uns mit einem Donnergrollen und pechschwarzer Wolkenwand. Der Blick ins Tal verheißt nichts Gutes. Wir haben keine Wahl. Rein in die Regengarnitur, hermetisch abriegeln so gut es geht und rein ins kühle Nass. Die Tropfen tanzen auf dem Asphalt, der Wind bläst uns ins Gesicht und die Anstiege verlangen nicht nur körperlichen Einsatz sondern auch mentale Extraleistung.
Und dennoch: nachdem der Lago Iseo, Lage di Ledro und schließlich Lago di Garda als ultimatives Endziel errreicht ist, rücken die Strapazen, Entbehrungen und oftmals auch lauten Flüche in den Hintergrund und Stolz paart sich mit jenem glücksstrahlendem Lächeln am Hafenbecken in Riva. Angekommen, durchgekommen, geschafft. Ziel erreicht. Aus dem unbekannten X wurde ein wunderbarer Cross (= X) und mit der Ausrüstung von Deuter ein perferkter Ride über alle Anforderungsstufen. Fazit: ich will nichts von diesem “Dreiklang” missen. Einmal X, immer X.
Stopp
So, das muss erst mal genügen. Die Bücher selbst sollen ja auch noch ein wenig Spannung vermitteln. Was es hier zu lesen gab, ist freilich nur ein Schlaglicht, ein Ausschnitt aus dem reichen Fundus an Crosserfahrung, welche ich in den letzten knapp 20 Jahren machen durfte.
Wer sich einlesen mag ins Thema, wer noch Routen sucht, auf dem Crosser Klavier einfache und schwere Noten sucht, wer eine Packliste DeLuxe benötigt, wer sich von jeweils drei wunderbaren Touren und Routen inspieren lassen will und keine reine Wegbeschreibung sucht, sondern die in Text gegossenen Emotionen des Abenteuers Alpenüberquerung nachlesen möchte, der ist hier richtig. Faszination AlpenX Bd1 (zweite Auflage) und Band2 gibt es im Bundle zum special Winterpreis für 33,33 anstatt 39,80. Kurze eMail an den Autor genügt. Jedes Buch wird prompt und portofrei geliefert, auf Wunsch natürlich auch mit einer persönlichen Widmung.
© by udo kewitsch