Die Anreise
Mäp, mäp, mäp, mäp … der Wecker klingelt in aller Frühe. Es ist Freitag der 20.01.2023 2:50 Uhr. Nicht ganz bei mir, frage ich mich, warum ich so zeitig aufstehen soll. Da fällt es mir wieder ein und ich bin plötzlich hellwach! Unser Blog Rund ums Rad wurde von der Tourismusbehörde der Stadt Benidorm und dem Spanischen Fremdenverkehrsamt München eingeladen, live beim diesjährigen Cyclocross World Cup dabei zu sein. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine letzte Pressereise im September 2016 auf den Via Verdes und so mache ich mich voller Vorfreude zu dieser frühen Uhrzeit auf den Weg von Dresden nach Benidorm. Die spanische Stadt liegt an der Costa Blanca 45 Kilometer nordöstlich von Alicante in der Provinz Alicante und punktet laut Medien durch die alljährlich guten Wetterbedingungen.
Ein Kumpel hatte mir zuvor gesagt: „Benidorm, das ist wo die Briten ihre Winterzeit verbringen und die gesamte Zeit nur Feiern.“ Das klang jetzt nicht unbedingt nach Radsport, was meine Neugierde weckt. In diesem Bericht werdet ihr einiges über die Stadt lernen. Ich werde Vorurteile bestätigen, aber auch falsifizieren und euch mehr über das Highlight des Wochenendes erzählen: den Cyclocross World Cup Benidorm – eines der spannendsten Duelle des Cyclocross Worldcups.
Aber wie lässt es sich am besten von Dresden nach Benidorm anreisen? Mit dem Flugzeug von Berlin nach Madrid und nach kurzer entspannter Wartezeit weiter nach Alicante. Vor dem Ausbruch der Corona Pandemie gab es auch Direktflüge von den größeren deutschen Flughäfen direkt nach Alicante. Sie sollen jedoch wieder zurückkommen, was ein absolutes Upgrade für alle Radsportler wäre. So ließe sich die sechsstündige Anreise (BER-MAD ca. 3hrs, Wartezeit 2hrs und MAD-ALC ca. 1hr) weiter reduzieren, wodurch Benidorm noch attraktiver für Radtouristen aus Deutschland werden würde.
Ich genieße also den Service an Board sowie das freundliche Boden- und Luftpersonal, als ich mich aus der Luft Benidorm nähere. Von hoch oben erkenne ich eine markante Felsformation direkt am Meer und gleichzeitig unzählige Hochhäuser, welche wie Hotelhochburgen erscheinen. Diese Aussicht kenne ich aus dem Internet. Ich bin also da.
Welcome to Benidorm, Spanien
Am Flughafen angekommen treffe ich auf den Fotografen Philipp Abels. Er ist vor allem für den World Cup angereist und kann es wie ich kaum erwarten, mehr zu sehen. Wir werden per Shuttle in das ca. 40 Minuten entfernte Benidorm zu unserem Hotel Helios gefahren. Bei der Einfahrt in die Stadt fällt mir als Radsportler sofort der Mittelstreifen ins Auge – es ist ein Fahrradweg. Damit sind die Radfahrer von der Straße „weg“, müssen zusätzlich keine Angst von einer sich plötzlich öffnenden Fahrzeugtür haben und mit Sicherheit ist der Fahrradweg nicht zugeparkt – sehr clever.
Im Hotel werden wir freundlich empfangen und wie wir dort am Schalter warten, läuft eine Radsportlerin samt Rad an uns vorbei, verschwindet im Fahrstuhl und keiner raunt sie an. Wie bitte? Der Wahnsinn! Hervorragend! Viele Hotels in Benidorm sind speziell auf Radfahrer ausgelegt, haben Radräume, eigene Rampen, große Zimmer und in diesem Fall sogar riesige Duschen, die sich unter anderem gut zur Radreinigung nutzen lassen.
Geschichtsstunde zum Anfassen
Am Nachmittag werden wir von unserem Guide namens Luchete empfangen, welcher uns direkt zu TAO Bike Rentals entführt, woraufhin wir erst einmal eine Runde durch den Natural Park Serra Gelada drehen. Ich bin abermals begeistert. Luchete erklärte uns alles, was wir über Benidorm wissen müssen und mit diesen Informationen rückt die Stadt in ein ganz anderes Licht.
Benidorm wird auch das „Manhattan am Mittelmeer“ genannt, da es nach New York die weltweit größte Hochhausdichte aufweist. Aber auf einmal ist es für mich keine Stadt mehr, die mit ihren unzähligen Hochhäusern das Ansehen der Küste verschandelt. Ich erkenne nun vielmehr das durchdachte Konzept, basierend auf sozialen, ökologischen und ökonomischen Prinzipien.
Im Jahr 1956 kam es zu einem großen Fischsterben des roten Thunfisches, welcher die wirtschaftliche Basis für die Stadt darstellte. Um die Tiere und somit auch die Wirtschaft der Stadt zu retten, verlangte der damalige Bürgermeister, die Stadt nicht mehr horizontal, sondern vertikal aufzubauen. So gelang es Ressourcen zu schonen, Verdichtungen zu stoppen und den natürlichen Luftzug zu gewährleisten. Die Stadt wurde umgekrempelt, doch leider hat es den Fischbestand nicht gerettet. Stattdessen etablierte sich Benidorm als Tourismusspot, denn die Strände sind natürlich, die Häfen bewusst klein gehalten, das milde Klima begünstigt ganzjährige Arbeit und somit muss kein Geschäft, kein Café oder Restaurant über die Winterzeit geschlossen werden.
Von einem Aussichtspunkt aus sehen wir schönste Küsten, Natur und gleichzeitig schauen wir auf diese interessante Stadt mit diversen architektonischen Highlights. Beispielsweise gibt es dort das höchste reine Hotel Europas, das Gran Hotel Bali, und das höchste reine Wohngebäude Europas, das Intempo. Luchete erzählt uns einiges über die verschiedenen Stadtteile. Die Altstadt ist nahezu autofrei gestaltet, bietet viel Platz zum Schlendern und Genießen. Die Strände in Levante und Poniente Beach sind mit Rampen angelegt, sodass auch Menschen mit Beeinträchtigung zu ihrem Badeplatz kommen. Und das English Quarter, in welchem wir wohnen, ist mit unzähligen Pubs und Restaurants gespickt. Die Stadt wird täglich gereinigt, die Sportanlagen sind zentral ausgerichtet, die Hotels werden ausschließlich von Familien geführt und es gibt zahlreiche Aktivitäten für Familien. Während wir die Aussicht genießen, spricht Luchete mit so viel Inbrunst über seine Stadt, schwärmt über die Natur, sodass ich bereits über einen Umzug nachdenke.
Nach einer kurzen Verschnaufpause im Hotel laufen wir in die Altstadt, genießen den abendlichen milden Hauch der Stadt und werden bei einem klassischen Tapas oder eher Pintos (mit einem Zahnstocher serviert) für das Essen in LA TAPERIA Aurrera empfangen. Wir sitzen am Tisch mit den Reportern von Eurosport, den PR verantwortlichen des Cyclocups, örtlichen Magazinen, Journalisten der Gazetta und es wird gegessen, getrunken und gelacht. Wir genießen die Atmosphäre und den Augenblick.
Der Cyclocross World Cup Kurs Benidorm
Der nächste Tag beginnt mit einem hervorragenden Frühstücksbuffet. Es gibt alles, was das Herz begehrt. Im Anschluss machen wir uns auf den Weg zum Worldcup Gelände. Im nahegelegenen Parque Foietes ist eine Strecke aufgebaut, die unglaublich kompakt und so absurd anders wirkt, als der restliche Rennkalender. Staubig, schnell, eng – mit Palmen bei milden 10˚C und Sonne. Zusammen mit Philipp laufen wir die Strecke ab, schauen uns die Downhills und Obstakel an, schlendern durch die Tech Zone und beobachten die Fahrer*innen bei ihren Trainings. Am Nachmittag findet ein Jedermann-Rennen statt – wenn der Kurs schon einmal präpariert ist, warum nicht gleich mehrfach nutzen, hervorragender Gedanke. Nach dem Rundgang entlang der Strecke freue ich mich schon riesig auf das anstehende Rennen.
Im Anschluss besuchen wir die Altstadt, genießen in der Marisqueria Posada del Mar einen fantastischen Wein, dazu eine leichte Vorspeise und als Hauptgericht eine originale Paella, danach noch ein kleines Dessert und die Sonne auf dem Bauch. Dabei treffen wir auf eine Gruppe Läufer*innen, die gerade an einem Laufcamp von Brooks teilnehmen. Auch hier wird wieder deutlich: Benidorm bedient Familien und Sportfans gleichzeitig. So findet auch jährlich der Benidorm Half statt – ein Halbmarathon vor einer atemberaubender Kulisse mit weißen Stränden.
Das Rennen – Packendes Duell
Auch wenn es Winter ist, erreichen die Temperatur 13˚C und die Sonne strahlt mit aller Kraft vom Himmel. An der Strecke ist bereits viel los – es sind 15.000 Karten ausgegeben und damit ist das Rennen restlos ausverkauft. Doch selbst, wer kein Ticket ergattern konnte, kann das Rennen in der Innenstadt auf riesigen LED Säulen live verfolgen. Cyclocross, mitten in der Stadt, live übertragen … als Deutscher kaum vorstellbar. Um 09:30 Uhr starten die Rennen der Junioren und U23. Mittags startet die Frauen Elite und als das Herren Elite Rennen um 15:10 Uhr ansteht, sind die Zuschauerplätze voll belegt. Die Rennen sind packend, dramatisch, echte Krimis.
Es wird auf dem schnellen Kurs hart gekämpft und jeder noch so kleine Fehler oder die Schwäche der Anderen wird genutzt um nach vorn zu kommen. Die Strecke führt über den kleinen Spielplatz vom Parque Foites, über Treppen und eine lange gerade Steigung in den Parque El Moraet. Es ist staubig, die Sonne scheint und die Menge kocht. Was für ein Gefühl mittendrin zu sein!
Das Kopf an Kopf Kampf der wahrscheinlich größten Rivalen im Cyclocross Cup lässt mich ehrfürchtig mitfiebern. Es wirkt so einfach, wie sie dort mit größter Kraft über den Kurs fegen. Teils scheint es, als müssten sie bei kurzen steilen Rampen nicht einmal investieren, sondern einfach „hoch rollen“. Der Unterschied zwischen den ersten zehn und den kommenden Fahrern ist enorm. Wir reden hier von der obersten Elite und doch gibt es nochmals das oberste Quantil, welches alles anderen in den Schatten stellt. Einen intensiveren Bericht zum Rennen findet ihr bei unseren Freunden von Rennrad-News.de oder in der bewegten Bildzusammenfassung von Eurosport.
Als es zum Finish der Herren Elite kommt, steht für mich die Zeit still. Die Spannung und Energie innerhalb der Menschenmenge ist spürbar und in der letzten schnellen Kehre vor dem Ziel platzt die gesamte Anspannung: alle schreien, jubeln, rufen, freuen sich. Van Aert setzt in zweiter Position aus der Kurve kommend zum Sprint an, kommt haarscharf an der Bande vorbei und muss sich dem vor ihm fahrenden Van der Poel geschlagen geben. Was für ein packendes Rennen, welch spannendes Duell – Faszination pur!
Der Abschluss
Am Abend sitzen wir nochmals mit einigen Reportern unter anderem dem Gründer der Website https://www.wielerflits.nl und des Ride Magazins, unserem Guide Luchete und den Reportern der La Gazzetta dello Sport zusammen und genießen im Urban Beach – Arroces ein fantastisches Abendessen. Es wird nochmals das Rennen revidiert, aber auch abseits davon viele interessante Themen angeschnitten bevor wir uns ein letztes Mal zum Hotel begeben und am Morgen auch schon wieder aufbrechen. Bei einem schnellen Umstieg in Madrid, erreiche ich gerade noch rechtzeitig meinen Flieger, mein Gepäck darf jedoch noch eine Weile in der Sonne verweilen, bis es ein paar Tage später per Kurier zu mir nach Hause kommt. Und damit schließt mein kleines Abenteuer in Benidorm.
So wenig wie ich Benidorm zuvor kannte, umso mehr möchte ich jetzt schon wieder hin und die Zeit, die Sonne und die Entspanntheit der Stadt genießen. Es war sehr angenehm und bietet für jedes Klientel die richtige Menge an allem – das nächste Mal für mich definitiv mit Rad :-). Gracias!