Werkstatt-Technik

CUBE Fritzz 2010 und das Hinterbauproblem – eine Lösung

„160mm vollaktiver, antriebsneutraler Federweg“ am Heck, damit bewirbt CUBE ihr Enduro-MTB „Fritzz“.
Was aber, wenn der „vollaktive“ Federweg etwas zu aktiv arbeitet?
Seit 2010 verbaut CUBE im Fritzz Boostvalve-Dämpfer von Fox, eine Klasse von Luftdämpfern mit besonders großen Luftkammern um die Stoßabsorbtion zu erhöhen.
Seitdem jedoch berichten viele Fritzz-Fahrer von durchrauschenden Hinterbauten.

Entweder man umgeht das Problem und pumpt sehr viel Druck in den Dämpfer, verliert dadurch aber Negativfederweg (SAG) und damit auch Kontrolle und Komfort, oder aber man nimmt in Kauf, dass der Hinterbau öfter durchschlägt.
Das allerdings sehe ich als die schlechtere Lösung an, weil beim Durchschlagen vergleichsweise große Kräfte auf die Konstruktion wirken und somit Schaden anrichten können.

Allerdings gibt es für die jüngeren Baujahre ab 2010 eine alternative Lösung das Problem deutlich eleganter zu lösen:
Anderer Dämpfer.

Die Bosstvalve Dämpfer, deren Prinzip sich von den im Gravitybereich verbreiteten Luftdämpfer wie etwa dem DHX Air ableitet, haben eine flachere Druckkurve, die sich aus der allgemeinen Gasgleichung p*V=n*R*T herleiten lässt.
Wobei
p = Druck
V = Volumen
n = Stoffmenge
R = Gaskonstante (Ideales Gas)
T = Temperatur

Da nun n, R und T als konstant anzunehmen sind, lässt sich die die Rückstellkraft F in Abhängigkeit von V beschreiben.
Also gilt:[ p~1/V ]

Bei Luftdämpfern wächst die Rückstellkraft also progressiv, bei Stahlfedern (regelmäßig Spiralförmig) hingegen linear.

Der Bosstvalve-Dämpfer mit insgesamt größerem Gasvolumen aber nahezu identischem Hub (Volumenänderung), hat gemäß diesem Zusammenhang nun eine weniger progressive Druckkurve als ein Dämpfer mit weniger Gasvolumen.

Nun kann man sich fragen, wozu das alles?
Durch die vorherigen Überlegungen verstehen wir, warum der Hinterbau des Fritzz so konstruiert wurde und warum er seine speziellen Eigenschaften besitzt.

Wenn man die Wirkungslinien der Kräfte einzeichnet, die durch den Hinterbau auf den Dämpfer übersetzt werden, dann erkennt man schnell, dass der Hinterbau des Fritzz degressiv arbeitet, die Kraft die der Hinterbau auf den Dämpfer überträgt ist am Ende des Federwegs also größer als zu Beginn.
Dagegen hält nun eine Rückstellkraft einer Feder die ebenfalls wächst, wenn eingefedert wird.

Über die Schwinge werden die Kräfte in ein Moment im Drehpunkt übersetzt, dann rückübersetzt und auf den Dämpfer übertragen. Die Kraft, die vom Hinterrad auf den Dämpfer wirkt, muss entlang der Achse wirken, die durch das Horst-Link und das Lager an der Schwinge wirken.
Man erkennt, dass durch die Geometrie der Schwinge der Dämpfer zu Beginn einen längeren Hebel hat als die Kraftkomponente vom Hinterrad.

Federt das System nun ein, kehrt sich die Situation um, nun ist der Hebel der Kraft vom Hinterrad kommend größer als der des Dämpfers.

Wenn man nun also bedenkt, dass das Fritzz bis 2009 mit dem „kleinen“ RP 23 ausgestattet war, liegt die Vermutung nahe, dass der Rahmen auch für diesen optimiert wurde.
Die Änderung der Kraftübersetzung ist demzufolge so gewählt, das sie mit der Rückstellkraft des kleinen RP 23 besonders gut funktioniert.
Wenn nun der „große“ RP 23 verbaut wird, ist dies aber nicht mehr der Fall. Wegen der weniger progressiven Gasfeder.

Der Praxistest hat beim Fritzz meines Vaters gezeigt, das die vorherigen Überlegungen richtig gewesen sind. Mit ca. 30% SAG (mit dem Bosstvalve waren es 10%) neigt der Dämpfer nun erheblich weniger zum Durchschlagen, die Dämpfung arbeitet besser und der Hinterbau sackt nicht mehr so stark ein – trotz geringerem Druck.

Alternativ zu einem kleinen Dämpfer kann man auch einfach die Boostvalve-Kammer verkleinern lassen.

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Dominik

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7 Comments

  • Hi Dominik,
    coole Ausführung – macht alles Sinn soweit ;o))

    Die schreibst „einfach das Boost Valve verkleinern“ – hast du eine Idee wie ich das anstellen kann?

    Merci und Gruß
    Marcus

  • Hi Molle,

    ich habe festgestellt, das ich mich in der Terminologie vertan habe, Boostvalve bezeichnet bei den Fox Dämpfern ein Wiederstandsventil und lässt sich ohne weiteres nicht selbst verändern. Was wohl möglich ist, ist die Erhöhung der Progression der Luftfeder über das Verkleinern der Luftkammer. Das System besteht aus zwei miteinander verbundenen Kammern, die große Kammer ist auf die kleine Kammer (Hauptkammer) aufgesetzt und über O-Ringe gedichtet. Genau diese Zusatzkammer lässt sich verkleinern.
    Hierzu kann im Grunde alles mögliche verwendet werden, was nicht fließfähig ist oder bei Temperaturen >70°C wird (damit es nicht aus der HIgh-Volume Kammer in die Hauptkammer gelangt und den Kolben behindert).

    Als geeignet haben sich Polymerstreifen/ringe (weich PVC oder PE-LD) erwiesen, die man in die äußere Kammer legt, da diese Volumenkonstant sind (Im Gegensatz etwa zu schaumstoffen, die bei hohen drücken aufgrund ihres Gasvolumenanteil kompressibel sind)

    Das öffnen der Kammer:
    Dämpfer ausbauen und die Luft ablassen, die Kammer etwas nach oben verschieben. Unten sollte ein Sicherungsring zu sehen sein, der in einer Nut liegt. Diesen kann man etwa mit einer Pinzette so auseinanderbiegen, das er aus der Nut entnommen werden kann. Danach lässt sich die Kammer nach unten abziehen (es ist recht enge Passung, ausserdem kann der O-ring bereits adhäsiv wirken, also nicht über etwaige Wiederstände wundern.)
    Die Polymerstreifen kann man nun in gewünschter Menge in die kammer einbringen und so die Kompression individuell anpassen

    Hoffe, das war nützlich

    Gruß

    Dominik (Autor)

  • Hi Dominik,

    danke für die Beschreibung – hab ich alles gemacht und die äußere Kammer so voll wie möglich gemacht, aber der Effekt war eher minimal… schade!
    Dann hab ich mal den Hub des Dämpfers gemessen und siehe da: nur 50mm Hub – dachte eigentlich der müsste 57mm haben,oder?! Wieviel hat Deiner?
    Dann hab ich Federweg gemessen – von Mitte Achse bis Sattelhinterkante und siehe da: nur 140mm! Kann das stimmen? der sollte doch 160mm haben… irgendwie kommt mir das komisch vor – glaube man hat mir einen zu kleinen Dämpfer angedreht!
    Wär super wenn Du mir Deine Werte zum Vergleich posten könntest…
    Merci und schönen Gruß

  • Hallo Molle, was für Material hast du verwendet?
    Werde den Dämpferhub bei Gelegenheit messen, sitze grade noch in der Uni.

  • Hi Dominik,
    hab das Plastik eines CD-Spindel-Deckels verwendet – ca 1mm stark, 3 lagen haben reingepasst…
    Das mit dem gemessenen Federweg macht mich am meisten sorge – nur 140mm würde mich echt enttäuschen!!
    Gruß

  • Hallo Molle,

    tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe: Ich habe zwei unteschiedliche RP23 Dämpfer untersucht und habe festgestellt:
    Der Im Fritzz ursprünglich verbaute Dämpfer hat 55mm Hub gehabt. Ein zweiter Dämpfer (ursprünglich aus einem AMS) hat hingegen tatsächlich nur 50mm Hub! Dort ist ein elastomerer Endanschlag verbaut, der wohl als Durchschlagsschutz dienen soll (oder den Hub Rahmenspezifisch anpassen soll)

  • Hallo Dominik,

    sehr interessante Ausführungen von dir. Bin jetzt erst auf deine Seite gestoßen, da ich einen Fritzz Cube „The One“ erstanden habe und auf der Suche nach einem geeigneten Dämpfer bin. Trifft die von dir thematisierte Problematik auch auf den „The One“ zu? Ich bin mittlerweile generell zu einem Fan von Stahlfederung geworden, sowohl bei Gabeln als auch Dämpfern, trotz des Mehrgewichts. Mir gefällt das von dir angesprochene lineare Dämpfungsverhalten besser, als das progressive Ansprechverhalten von sich komprimierender Luft. Nun gut, Geschmackssache. Entsprechend bin ich nun relativ unwissend auf der Suche nach einem Stahldämpfer für meinen „The One“. Hättest du einen Tipp für mich?

    Viele Grüße aus Berlin
    Simon

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