Bad Salzdetfurth- Die MTB Hochburg des Deutschen Nordens war am vergangenen Wochenende Schauplatz der einzigartigen Cross-Country Titelkämpfe. Der Freiburger Mortitz Milatz konnte als Rekordgewinner in der Kurstadt trotz Defekt emotional den Sieg feiern. Bei den Damen macht Sabine Spitz ihr Dutzend Titel voll. Hier im Bericht wie gewohnt alle Infos zu den Profirennen und beeindruckende Bilder….
Herren:
„Das war das dramatischste Rennen“, so der fast zu Tränen gerührte Moritz Milatz im Ziel. Vor wenigen Sekunden durfte er mit der für Salzdetfurth typischen Hausdurchfahrt in den Hexenkessel der Fachwerk-Kurstadt einbiegen. Tausende Zuschauer begleiteten ihn mit atemberaubenden Klatschen.
Eine Kulisse, die einfach jedem Gänsehaut bereitete. Dass der Sieger hier fast aus der Fassung geriet, ist nach dem Krimi nur logisch! Schon in der ersten von acht Runden gerieten seine Titelambitionen in weite Ferne. In einer Abfahrt hatte er sich einen Hinterrad-Defekt geholt. Glücklicherweise war es nicht weit zur Technischen Zone, so dass der Zeitverlust nicht allzu groß war. Für Milatz war es aber dennoch „eine Ewigkeit“ und in der ersten Runde ist ein Defekt erst einmal „fatal“, weil man viele Plätze einbüßt.
Mit 35 Sekunden Rückstand auf Markus Schulte-Lünzum kam er als Zwölfter aus der ersten von acht Runden und begann seine Aufholjagd. Im Verlauf der dritten Runde kam er an der Spitze an. Dort musste Youngster Schulte-Lünzum, der freiwillig als U23 Fahrer in der Elite Klasse startet, seinem offensiven Anfang Tribut zollen und fiel zurück, so dass mit dem Altmeister Wolfram Kurschat, Manuel Fumic und Moritz Milatz die „Ü30-Fraktion“ das Tempo bestimmte.
In der vierten Runde verlor Fumic, der nach siebenwöchiger Verletzungspause sein zweites Rennen fuhr, den Anschluss und Moritz Milatz übernahm in Runde fünf das Kommando mit dem er einen kleinen Vorsprung errang. Das komplette BMC MTB Team im Rausch der Gefühle. Seine Betreuer in der Feed-Zone sprangen überwältigt umher. Das sind Emotionen pur!
Doch „dann habe ich in der Verpflegungszone kein Gel bekommen und musste echt kämpfen. Ich konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren und bin gestürzt“, erzählte Milatz von der Fortsetzung seines persönlichen Dramas auf dem Weg zum fünften Sieg in Bad Salzdetfurth, wo man ihn längst als Publikumsliebling adapiert hat. Der überraschend starke Kurschat konnte die Lücke jedoch nicht mehr schließen, so dass Milatz souverän zum Sieg fahren konnte und gegen die Tränen kämpfen musste. (Bild links und rechts: (c) D.Voss)
Mit einem sanften Schmunzeln im Gesicht bilanzierte Wolfram Kurschat seine Silbermedaille. „Ich habe verloren“, sagte er, „ich wollte gewinnen. Aber Moritz war heute der Stärkste. (…) Ab der vierten Runde hatte ich Rückenschmerzen und habe deshalb versucht auf den Asphaltpassagen Druck zu machen. In den technischen Teilen konnte ich nicht mehr Gas geben.“
Im Kampf um Bronze hatte Markus Schulte-Lünzum (Bild (c) D.Voss) das bessere Ende für sich. Nachdem er sich aus der Spitzengruppe verabschiedet hatte, habe er „nicht mehr dran geglaubt“. Der Rückstand auf Rang drei wuchs auf über 50 Sekunden an. „Ich war in den ersten zwei Runden voll über dem Limit. Erst in Runde fünf ging es wieder, nachdem ich eigentlich versucht habe etwas Tempo raus zu nehmen“, erläuterte Schulte-Lünzum. Als ihm dann mitgeteilt wurde, dass sein Rückstand auf Fumic, der nach Verletzung erst wieder sein zweites Rennen fuhr, wieder geringer wurde, da erwachte der Kampfgeist vollends. Am letzten Anstieg kam er an den neun Jahre älteren Fumic heran, es gab ein kurzes Duell, doch Schulte-Lünzum kam als Erster oben an und setzte sich ab. „Ich habe am Anfang riskiert, weil ich nichts zu verlieren hatte“, erklärte der U23-Weltcup-Führende, „dass es noch aufgegangen ist, das ist voll geil“.
Manuel Fumic sprach auch vom Risiko, das er zu Beginn eingegangen sei. „Das war in meiner Verfassung die einzige Möglichkeit. Ich wollte möglichst viel Zeit zwischen mich und Platz vier bringen. Es hätte auch gut gehen können, aber in meiner Situation kann ich mit den Dreien nicht mithalten“, erklärte Fumic, der unter Trainingsrückstand nach Verletzung seinen DM Titel von 2012 verlor.
Damen:
Die Olympiasiegerin hat in Bad Salzdetfurth ein glänzendes Comeback gefeiert. Sabine Spitz aus Murg-Niederhof holte sich in der Solestadt ihren zwölften Meistertitel in der Olympischen Cross-Country-Disziplin und verwies Elisabeth Brandau in 1:30:14 Stunden mit 1:03 Minuten Vorsprung Elisabeth Brandau aus Schönaich auf Rang zwei. Auf Rang drei überraschte Silke Schmidt (München), die 1:37 Minuten Differenz aufwies.
Bei Sabine Spitz lief das zweite Rennen nach siebenwöchiger Verletzungspause besser als sie selbst erwartet hätte. „Das war im Vorfeld kein Understatement. Der große Unsicherheitsfaktor war die Fahrtechnik“, erklärte Sabine Spitz. Tatsächlich konnte Elisabeth Brandau in den ersten drei Runden die dreifache Olympia-Medaillengewinnerin in den technischen Passagen auch unter Druck setzen, doch am Berg war die 41-Jährige einfach stärker als Brandau, die selbst nach einem Bänder-Anriss im Knie noch nicht wieder ganz auf der Höhe ist.
In der vierten Runde entschwand die Seriensiegerin der 27-Jährigen aus Schönaich endgültig und das Rennen war zugunsten von Sabine Spitz entschieden. „Ich muss sagen, ich bin auch überrascht wie gut ich die vielen Antritte weg gesteckt habe, damit habe ich nicht gerechnet“, bekannte die Südbadenerin. Der zwölfte Meistertitel ist sicher einer der überraschendsten in ihrer Karriere. „Routine wird das nie“, meinte sie.
Der U23-Titel ging wie erwartet an Helen Grobert (Focus XC), die sich schon in der ersten Runde absetzte und auch einen Sturz in der zweiten Runde verkraften konnte. „Ich war die Favoritin, aber Meisterschaft ist Meisterschaft. Man muss es erst mal ins Ziel bringen“, zeigte sie sich erleichtert über ihren zweiten Titel in dieser Kategorie. Silber ging an Lena Putz und Bronze an Lena Wehre, die vom „geilsten Rennen meines Lebens“ sprach.
Bei den Juniorinnen ließ Sofia Wiedenroth (Fiat-Rotwild) trotz Handverletzung nichts anbrennen. Die Vize-Europameisterin gewann klar vor Sarah Bauer (Merida-Schulte) und Jessica Benz (Wheeler-iXS). „Am Berg war ich einfach stärker und bin in der zweiten Runde weg gefahren. Die Abfahrten habe ich vorsichtig genommen. Echt super, dass es geklappt hat“, freute sich Wiedenroth.
U23 Herren:
Christian Pfäffle hat sich seinen ersten Meistertitel in der U23-Kategorie gesichert. Der Neuffener gewann in Bad Salzdetfurth mit einer eindrucksvollen Vorstellung mit 56 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Julian Schelb. Dass mit Martin Gluth ein weiterer Fahrer aus der Kirchzartener Lexware-Rothaus-Equipe die Bronzemedaille holte (+1:43), war keine Überraschung, wie man bereits in unserem Vorab-Bericht lesen konnte.
Christian Pfäffle (Bild (c) Moeller) und Julian Schelb setzten sich in der zweiten Runde von der Konkurrenz ab und fuhren bis zur vierten Runde gemeinsam an der Spitze. Allerdings hatten die beiden Teamkollegen keinen Waffenstillstand vereinbart. Im Gegenteil. Nach einem Sprung attackierte Julian Schelb in der Abfahrt, ging an Pfäffle vorbei und holte einen kleinen Vorsprung heraus. Doch gleich darauf war der Angriff gestoppt. Die Kette war heruntergefallen und der Münstertäler musste anhalten, um die Kette wieder aufzulegen.
„Ich denke, Julian hat da ein bisschen viel riskiert. In dem Geholper fällt schnell die Kette runter. Ich bin danach einfach meinen Rhythmus weiter gefahren, so wie ich es von Anfang an gemacht habe. Ich habe nie locker gelassen“, erklärte Pfäffle.
Im Kampf um die Bronzemedaille kam es zu einem aufregenden Finish. Martin Gluth hatte nach der ersten Runde einen kompletten Durchhänger und wurde auf Rang acht zurückgereicht. „Der Motor ist einfach nicht angesprungen, keine Ahnung warum“, erzählte Gluth. So konnte sich David Simon (Büchel) auf Rang drei einrichten, nachdem dessen Bergamont-Teamkollege Ben Zwiehoff (Essen) mit Rückenproblemen zurückgefallen war.
Junioren
Europameister Lukas Baum (Fiat-Rotwild) hat in Bad Salzdetfurth seinen Deutschen Meistertitel bei den Junioren verteidigt. Der Neustädter siegte in 1:06:47 Stunden mit 49 Sekunden Vorsprung auf dem EM-Sechsten Georg Egger (Bike Juniorteam) und 1:25 Minuten vor Luca Schwarzbauer (Lexware-Rothaus).
Im Junioren-Rennen ergriff Europameister Lukas Baum schon in der ersten Runde die Initiative. „Als ich gemerkt habe, die können mir nicht folgen, habe ich mein Tempo durchgezogen“, erklärte Lukas Baum. Schon in der zweiten Runde hatte er einen Vorsprung von rund 30 Sekunden, vor den Verfolgern Georg Egger und Luca Schwarzbauer. Der 16-jährige Schwarzbauer übernahm in der zweiten Runde die zweite Position, musste Egger aber wieder vorbei ziehen lassen. In dieser Phase fiel der Abstand zu Baum auch mal unter 30 Sekunden, doch der Pfälzer hatte das Rennen unter Kontrolle und konnte noch ordentlich zulegen. Er fuhr zu einem souveränen Sieg und meinte hinterher: „Ich habe es mir ein bisschen schwerer vorgestellt. Nach der EM haben das natürlich alle von mir erwartet, insofern war es ein Pflichtsieg“, sagte Lukas Baum, der schon 2012 in Bad Säckingen das Meisterjersey geholt hatte.
Das war die DM 2013. Wieder einmal vor der wohl besten Kulisse des Deutschen MTB Sports. Ein großes Lob an die Veranstalter! Zum einen für die Strecke, die dank kurzer Wege zu Hot-Spots der Rennstrecke, viel Action und bester Inszenierung durch DJ Pult und Kommentatoren im Wald begeisterte, zum anderen aber auch an das großartige Publikum, dass einfach immer zahlreich die Strecke säumt und Gänsehautfeeling liefert. Eine Perle unseres Sports!
Bilder Copyright: Marius Maasewerd/Ego-Promotion, falls nicht anders beigefügt.