Ein Bonner Gericht erkennt den Starrlauf eines „Fixies“ als Bremse an. Die Polizei ist erbost, die Szene kann sich freuen. Provinzposse oder wegweisendes Urteil?
Das sind Räder mit nur einem Gang und starrem Antrieb; die Pedale drehen immer mit. Geübte Fixie-Fahrer nutzen diesen Effekt als Bremse und verzichten auf die Montage einer klassischen Hinterradbremse.
Einige fahren sogar „brakeless“, also gänzlich ohne klassische Bremsen.
Während die Rechtslage beim „brakeless“-Fixie eindeutig ist – es ist illegal –, könnte ein Urteil des Bonner Amtsgerichts nun neuen Zündstoff in die Diskussion bringen, ob die Kombination „starrer Antrieb plus Vorderradbremse“ die Anforderungen der StVO erfüllt. Diese verlangt nach zwei baulich unabhängigen Bremsen.
Die Vorgeschichte
Im idyllischen Bonn wollte ein Fixie-Fahrer den Vorwurf der Verkehrsgefährdung nicht auf sich sitzen lassen, dem er sich bei einer Polizeikontrolle ausgesetzt sah.
Ein Beamter hatte den an einer roten Ampel balancierenden Mann angehalten und sich sein Rad genau angeschaut.
Diagnose: kein Schallzeichen (vulgo Klingel), keine seitlichen Reflektoren, keine hintere Bremsen. Kein Licht? Doch, das führte der Fahrer vorschriftsmäßig im Rucksack mit.
Auch wenn keine konkrete Gefährdung gegeben war – der Radler hielt ja an einer Ampel –, urteilte der Polizist, das Fahren ohne eine zweite Bremse stelle eine erhebliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit dar.
Die Strafe dafür: 55 Euro und ein Punkt in Flensburg.
Der Prozess
Das sah der Radfahrer – übrigens kein trendbewusster Jungspund, sondern ein erfahrener Rennradfahrer im besten Alter – nicht ein: Er nahm sich eine Anwältin und klagte dagegen.
Die Argumentation von Susanne Sandten, selbst geübte Radlerin und aktive Triathletin, ist bestechend: „Eine Bremse ist gemäß § 65 Abs. 2 StVZO ‚eine feste Einrichtung am Fahrzeug zur Verminderung der Geschwindigkeit‘“, erklärte sie gegenüber dem pressedienst-fahrrad, „und in diesem Sinne ist auch der Starrlauf am Fixie eine Bremse.“
Das Urteil
Das Gericht folgte dieser Ansicht und reduzierte die Strafe für den Radler auf 15 Euro Bußgeld für die fehlende Klingel und Reflektoren.
Der Polizist schäumte und will nun dafür sorgen, dass die Straßenverkehrszulassungsordnung in Sachen Fahrradbremsen konkretisiert wird, Anwältin Sandten versucht derweil, den Beamten für ein Verkehrssicherheitsprojekt ihres Triathlon-Vereins zu gewinnen, um die Wogen zu glätten.
Die Konsequenzen
Stefan Scheitz vom Rennradanbieter Felt (www.felt.de), der Singlespeed-Räder im Programm hat, sieht in diesem Urteil jedoch keine Auswirkungen auf die Konzeption der Räder: „Wir werden alle unsere Singlespeed-Räder auch weiterhin mit zwei klassischen Bremsen anbieten.“
Und der Bonner Fixie-Fahrer? Er bleibt auf mehreren Hundert Euro Anwalts- und Verfahrenskosten sitzen, die glücklicherweise seine Rechtsschutzversicherung übernimmt – und ahnt wahrscheinlich gar nicht, dass sein Urteil der bundesweiten Rad-Puristen-Szene Auftrieb geben dürfte.
Aber Vorsicht: Einen Präzedenzfall wie im US-Anwaltskrimi stellt das Bonner Urteil nicht dar. Fixiefahrer müssen sich also weiterhin auf Diskussionen mit der Polizei einstellen.
Aktenzeichen: AG Bonn 337 Js 1152/09
Interessantes Urteil und technisch überzeugende Argumentation der Anwältin. Good job, würde ich mal so sagen.
Bin trotzdem der Meinung, dass sich der betroffene Fixie-Fahrer der Tragweite des Urteils bewusst ist. 🙂
Hallo Frosch,
ja, ein Aktenzeichen gibt es:
Aktenzeichen: AG Bonn 337 Js 1152/09
Habs im Artikel auch aktualisiert.
gibts denn zu der entscheidung ein aktenzeichen ?