Wir hatten im Dezember die Gelegenheit Garmins Multisportuhr, die Garmin Forerunner 935 zu testen. Ob die 599 € (UVP) teure Uhr im Wintertraining überzeugen konnte, lest ihr im folgenden Testbericht.
Garmin Forerunner 935
Ein Wort vorab
Zunächst möchte ich kurz erläutern, wie die Rahmenbedingungen dieses Tests aussahen. Ich denke das ist wichtig – genauso wie jeder Sportler andere Erwartungen an ein solches High End Produkt hat, haben vermutlich auch alle Leser andere Erwartungen an einen dazugehörigen Produkttest.
Triathlon betreibe ich als Hobby. Ich trainiere nicht nach Trainingsplan, aber regelmäßig und ambitioniert, so viel wie es Beruf und Familie eben zulassen. Neben Laufeinheiten, Schwimmen und Indoor Radtraining schiebe ich im Winter gern auch die ein oder andere Athletik Einheit ein. Leider erwischte mich kurz vor Weihnachten eine Erkältung, so dass sich mein Trainingsumfang deutlich reduzierte.
Da uns die Uhr leider nur 30 Tage zur Verfügung gestellt wurde, beruhen meine Erfahrungen deshalb auf relativ wenigen Trainingsstunden mit der Forerunner 935.
Unboxing
Beim Öffnen des Pakets gab es direkt eine Überraschung: hinter dem durchsichtigen Deckel der Verpackung blitzte eine Garmin Forerunner 935 mit gelben Armbändern hervor. Das sah auf den ersten Blick ziemlich cool aus! Aber ist das wirklich so alltagstauglich? Bin ich der Typ für eine knallige Uhr am Handgelenk? Schließlich wollte ich die Uhr nicht nur im Training tragen, sondern auch Activity Tracking und Trainings Belastungs-Features (siehe weiter unten) nutzen. Beim Öffnen der Pappschachtel dann schnell die Erleichterung: es liegt ein schwarzes Armband bei. Dass die Uhr mit gelben Armbändern daher kam, liegt am Tri-Bundle, das Garmin für unseren Test zur Verfügung gestellt hat.
Das Bundle umfasst neben der Uhr auch zwei Brustgurte mit Herzfrequenzsensoren. Der schwarze Gurt ist dabei für das Training im Freiwasser bzw. Radfahren und Laufen gedacht. Der blaue Brustgurt ist speziell für das Schwimmen im Schwimmbad konzipiert. Und das ist noch nicht alles: neben dem bereits angesprochenen, schwarzen Armband und den zwei Brustgurten liegen außerdem ein Schnellwechselkit und zwei Schraubenzieher zum Wechseln des Armbands bei. Das Schnellwechselkit richtet sich an Triathleten, die die Forerunner 935 während des Schwimmens und Laufens am Handgelenk, während des Radfahrens am Lenker tragen wollen. Dazu wird das Armband an einer Halterung befestigt, in die dann das Uhrengehäuse (ohne Armband) geklippt wird. Beim Wechsel auf das Rad kann dann das Gehäuse separat an eine entsprechende Halterung am Lenker geklippt werden.
Das Set kam bei mir jedoch nicht zur Anwendung. Ganz im Gegensatz zum schwarzen Armband, welches ich sofort installierte. Das ging dank der zwei mitgelieferten Schraubenzieher super schnell und einfach, so dass man es quasi täglich machen könnte – trage ich heute gelb oder schwarz oder gar eine der weiteren, im Garmin Shop erhältlichen Farben? Armband, Schrauben und Armbandaufnahme der Uhr wirken so hochwertig, dass sie ein häufiges Wechseln wohl problemlos mitmachen. Sollte dabei mal eine der Schrauben verloren gehen, liegen zwei Ersatzschrauben ebenso bei.
Für das Tri-Bundle veranschlagt Garmin einen um 150 € teureren UVP gegenüber der einzelnen Forerunner 935. Die kommt in der günstigeren Variante aber auch gänzlich ohne Brustgurt zur Herzfrequenzmessung. Schaut man sich die UVPs der beiden Brustgurte, sowie des Schnellwechselkits an, wird deutlich: im Paket gibt’s ordentlich Rabatt. Wer also beide Brustgurte einsetzen möchte, sollte zum Tri-Bundle greifen. Reicht der Brustgurt für Lauftraining, Radfahren und Freiwasser aus, lohnt sich der Kauf des Einzelgeräts und eines separaten Brustgurts. Die Frage ist: braucht man den? Schließlich hat die Uhr einen optischen Sensor zur Herzfrequenzmessung am Handgelenk. Ich verrate schon jetzt: meiner Meinung nach braucht man den Brustgurt! Warum, das gibt’s weiter unten im Test zu lesen.
Look and feel
Die Uhr selbst sieht super schick aus und ist hervorragend verarbeitet. Das runde, nicht zu große Gehäuse ist in Verbindung mit den Silikon-Armbändern sehr angenehm zu tragen. Die seitlich platzierten Knöpfe zur Steuerung der Uhr lassen sich super bedienen. Der Druckpunkt ist klar definiert. Einen Touchscreen besitzt die Forerunner 935 nicht, vermisst habe ich ihn aber auch nicht. Auf der Rückseite befinden sich die LEDs zur optischen Herzfrequenzmessung direkt am Handgelenk. Das scheint in Ruhe auch super zu funktionieren. Die angezeigten Werte waren stets plausibel und reagierten direkt auf Veränderung der Herzfrequenz z.B. beim Aufstehen aus dem Sitzen.
Geladen wird die Uhr über ein mitgeliefertes Kabel mit USB Schnittstelle. Es handelt sich jedoch um einen speziellen Stecker auf Seiten der Uhr, sodass zwingend dieses Kabel mit muss, soll auf Reisen der Akku geladen werden. Einen Adapter für die Steckdose gibt’s nicht dazu – aber die hat heutzutage sowieso jeder zur Genüge daheim rumliegen.
Der Forerunner im Test
Krafttraining
Die erste Trainingssession mit der Garmin Forerunner 935 absolvierte ich im Fitness Studio. Ich hatte mir Langhanteltraining und einige Übungen zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur vorgenommen. Eher durch Zufall entdeckte ich nach den ersten Wiederholungen eine, in meinen Augen wirklich geniale, Funktion: Die Uhr erkennt die Anzahl der durchgeführten Wiederholungen pro Übung.
Eigentlich wollte ich nur „eine Runde stoppen“ um später die Veränderung der Herzfrequenz während der Übungsausführung einfacher nachvollziehen zu können. Stattdessen wechselte die Uhr beim ersten Drücken des entsprechenden Knopfes in den Pausenmodus. Auf dem Display wird während der Pause die Zeit hochgezählt, sodass vorgegebene Pausenzeiten eingehalten werden können. Ein erneutes Drücken des Rundenknopfes startet das nächste Intervall bzw. im Falle eines Krafttrainings den nächsten Satz. Die Beschleunigungssensoren der Forerunner registrieren gleichartige Bewegungen und die Uhr zählt die Anzahl der durchgeführten Wiederholungen mit. Am Ende des Satzes, beim Wechsel in den Pausenmodus, kann die registrierte Wiederholungszahl dann noch manuell korrigiert, sowie das bewegte Gewicht eingegegen werden.
Bei der Synchronisation der Einheit mit der Garming Connect App gab es dann die nächste Überraschung für mich: nicht nur Sätze und Wiederholungen waren gespeichert, auch wurde anhand der registrierten Bewegungsmuster die durchgeführte Übung erkannt. Hundertprozent exakt erkannt hat Garmin dabei z.B. Kreuzheben. Bei komplexeren Rumpfstabi Übungen bekam ich dann jedoch teils komplett falsche Übungsbezeichnungen vorgeschlagen. In der Connect App lassen sich diese Vorschläge bei Bedarf aber einfach korrigieren. Dazu steht ein wirklich umfangreicher Übungskatalog zur Verfügung.
Wie viele neuere Modelle aus dem Bereich der Multisportuhren, hat auch die Forerunner 935 einen optischen Herzfrequenzsensor zur Messung am Handgelenk eingebaut. Der offenbarte während des ersten Trainings allerdings direkt Schwächen. Sobald der Schweiß ordentlich lief, setzte die Herzfrequenzmessung aus oder zeigte unrealistische Werte. Damit war für mich schnell klar: im Training nur mit Brustgurt.
Lauftraining
Die nächste Trainingseinheit fand im Freien statt: Laufen stand auf dem Programm. Bevor es jedoch los geht, konfigurierte ich mir noch einige Datenseiten der Trainingsansicht für die Sportart Laufen. So habe ich z.B. gern Puls und aktuelle Pace auf einer Seite, sowie diverse Gesamtwerte auf einer separaten Seite dargestellt. Die Konfiguration findet, anders als es z.B. Polar macht, direkt auf der Uhr statt. Das funktioniert prinzipiell recht einfach, erfordert aber etwas Konzentration und Geduld. Die bis zu vier Felder pro Seite lassen sich mit unzähligen Daten, aus den verschiedensten Kategorien bestücken. Einige Bezeichnungen sind auf Grund des begrenzten Platzes auf dem Display abgekürzt – ein Blick in die Online Hilfe von Garmin hilft bei der Übersetzung. Aufgrund der langen Liste geht schnell der Überblick verloren, welche Datenfelder bereits auf einer Seite platziert sind und welche nicht. Meiner Meinung nach funktioniert eine solche Konfiguration im Webbrowser oder auf dem Smartphone, dank größerem Screen, deutlich einfacher.
Eine Einstellung, die ich verzweifelt gesucht und nicht gefunden habe, war die Konfiguration der Pace Zonen. Nach kurzer Online Recherche ist klar, die gibt‘s bei Garmin nicht.
Ansonsten macht die Uhr genau das, was man von ihr erwartet: anhand von GPS Signalen Werte wie Geschwindigkeit und Distanz aufzeichnen, Pace anzeigen, mit dem barometrischen Höhenmesser die aktuelle Höhe, sowie zurückgelegte Höhenmeter darstellen, Intervalle stoppen, Runden zählen, …
Der Herzfrequenzsensor am Brustgurt misst zuverlässig die Herzfrequenz, für die sich die Zonen individuell einstellen lassen. Am Ende der Trainingseinheit gibt es dann eine Einschätzung des aeroben und anaeroben Trainingseffekts, sowie eine voraussichtliche Regenerationsdauer angezeigt. Auch eine geschätzte VO2max kann die Forerunner 935 berechnen.
Anhand der eingebauten Beschleunigungssensoren misst die Uhr unter anderem die vertikale Bewegung oder die Bodenkontaktzeit. Auch wenn man die ganzen Werte erst mal interpretieren können muss, mit einem Links-Rechts-Vergleich kann so ziemlich jeder etwas anfangen und erkennt, wo eventuelle Defizite im Laufstil liegen könnten.
Ein Feature, welches mich richtig umgehauen hat, ist die Erkennung der Laufgeschwindigkeit beim Laufen auf dem Laufband. Die Beschleunigungssensoren in der Uhr werden hier genutzt, um die aktuell gelaufene Pace zu bestimmen. Das funktionierte bereits beim ersten Test ziemlich genau. Die Uhr kalibriert die Messung selbstständig bei jedem Lauf mit GPS Signal. Nach ein paar Einheiten draußen, sollte dann die Pace auf dem Laufband nahezu exakt bestimmt werden können. Cool!
Schwimmtraining
Während der Testperiode war ich leider nur sehr wenig mit der Garmin Forerunner 935 schwimmen. Die Uhr hat hier einen soliden Dienst erwiesen. Diverse Parameter, wie Pace, Anzahl Bahnen und der SWOLF Wert werden zuverlässig bestimmt. Nur ganz vereinzelt wurden Bahnen nicht mitgezählt. Hier heißt die Devise: schnell und deutlich wenden, am besten mit Rollwende, dann erkennt die Uhr auch den Richtungswechsel und zählt eine neue Bahn. Für mich persönlich ist der SWOLF Wert recht interessant. Als Summe aus der Anzahl Züge und der benötigten Zeit in Sekunden für eine Bahn, gibt er Aufschluss über die Effizienz der Schwimmtechnik. Leider bietet die Garmin Connect App keine Möglichkeit diesen Wert im Verlauf der einzelnen Einheiten, zum Beispiel als Liniendiagramm, darzustellen, um so im besten Fall eine Effizienzsteigerung erkennen zu können.
Der mitgelieferte Schwimm-Brustgurt kam bei mir nicht zum Einsatz. Jedoch macht er einen sehr guten Eindruck hinsichtlich des zuverlässigen Halts an der Brust! Über den gesamten vorderen Teil hinweg ist die Fläche des Gurts mit einer Gummischicht überzogen, die sehr gut an der Haut haftet. So sollte es auch beim Abstoßen vom Beckenrand keine Probleme mit einem rutschenden Gurt geben.
Training Load, VO2max, Regeneration und Training Status
Ein für Hobby-Athleten sehr interessantes Feature der Forerunner 935 ist die Ermittlung und Anzeige der Training Load, sowie einer geschätzten VO2max und Regenerationszeit nach jeder absolvierten Trainingseinheit. Außerdem zeigt die Garmin Uhr bei ausreichend absolvierten Einheiten (mindestens zwei Läufe oder Radfahrten) einen Trainingsstatus an. Wer ohne Trainingsplan bzw. Trainer an seiner Fitness feilt, erhält hier wertvolle Informationen darüber, ob das eigene Training produktiv ist. Leider reichten die wenigen Trainings während der Testperiode nicht aus, um diese Features wirklich gewinnbringend einsetzen zu können. Die Theorie liest sich aber sehr vielversprechend, neigen doch insbesondere Hobby-Athleten gerne mal zur „Viel hilft viel“ Mentalität. Die Uhr kann hier helfen, das individuell richtige Maß zu finden.
Darüber hinaus funktioniert die Garmin Forerunner 935 auch als klassischer Fitness Tracker und ermittelt Werte, wie zum Beispiel gelaufene Schritte oder Distanz. Wer längere Zeit sitzt, bekommt auf Wunsch direkt die Quittung in Form eines Inaktivitäts-Alarms.
Garmin Connect App
Zur weiteren Auswertung der aufgezeichneten Daten können diese über Smartphone und Bluetooth Verbindung mit der Garmin Connect App synchronisiert werden. Sofern Bluetooth am Handy eingeschaltet bleibt, werden z.B. die aktuell gemessenen Herzfrequenzwerte permanent übertragen und in der App dargestellt. Für synchronisierte Trainingseinheiten lässt sich zum Beispiel die Zeit in den einzelnen Herzfrequenz Zonen darstellen, der Verlauf der Herzfrequenz anzeigen oder eine kurze Erläuterung des Trainings Effekts. Insgesamt sieht die App mit ihrem dunklen Hintergrund ziemlich schick aus. Allerdings mangelt es etwas an Übersichtlichkeit. Viele Untermenüs, versteckte Diagramme, irgendwie wurde ich mit der App nicht so richtig warm. Was fast schon Standard ist, aber trotzdem erwähnt werden sollte, ist die Synchronisation mit Strava.
Fazit
Es fällt mir schwer ein endgültiges Fazit zur Garmin Forerunner 935 zu ziehen. Während der kurzen Testzeit, konnte mich die Multisportuhr in den einzelnen Trainingseinheiten absolut überzeugen. Für die Ermittlung und Anzeige der typischen Werte während eines Trainings, genügt jedoch eigentlich auch ein deutlich günstigeres Modell. Richtig spannend wird es, gerade für ambitionierte Hobby Athleten, meiner Meinung nach erst, wenn die Features rund um den Trainingsstatus genutzt werden – leider konnte ich das aber nicht ausreichend testen. Die Forerunner 935 sieht aber eben auch ziemlich gut aus am Handgelenk…
Der begeisterte Triathlet in mir sagt: Kaufen! Der Vernunftmensch sagt: es geht auch ohne!