Die Garmin Vector Pedale haben wir schon im letzten Jahr getestet. In diesem Kontext haben wir auch schon einiges zum Thema Watt basiertes Training geschrieben. Nachdem Garmin in diesem Sommer das Nachfolgemodell Vector 2 auf den Markt gebracht hat, ist eins der ersten Testsets der Vector 2 Pedale an uns gegangen. Beim folgenden Bericht handelt es sich wohl eher um einen Er-fahrensbericht als um einen reinen Testbericht.
Factsheet
Thema | Info |
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Gewicht | 179 g |
Datenübertragung | Ant+ Sensor mit 2032 Knopfzelle |
Schuhplatte | Look Kéo kompatibel |
Preise (UVP) | Vector 2 S: 899,00 € Vector 2: 1.399,00 € |
Motivation
Meine persönliche Motivation, den Test zu übernehmen, ist vielleicht etwas ungewöhnlich, aber sicher interessant. Mein linkes Knie ist schon seit Jahren massiv geschädigt. Deshalb wollte ich die Gelegenheit nutzen zu ermitteln, wie sich die Leistungsbalance zwischen rechtem und linkem Bein verhält. Und dann freute ich mich natürlich auf die Möglichkeiten, durch umfangreiche Analysen, der aufgezeichneten Daten Indizien für eine Performancesteigerung zu finden.
Montage und Kalibrierung
Obwohl ich schon Einiges über die Montage der Vector Pedale gelesen hatte, stellte sich die Montage der Vector 2 als absolut unproblematisch heraus. Auch ohne einen Blick in die Anleitung hätte ich das vermutlich hingekriegt. Aber die Schnellstartanleitung ist gut verständlich und hat an den richtigen Stellen entsprechende Skizzen. Einzig das empfohlene Drehmoment zum Anzug der Pedale konnte ich trotz des mitglieferten Park Tool Adapter nicht sauber einstellen. Meine Drehmomentschlüssel sind nur bis 20 Nm ausgelegt ;-). Also sicherheitshalber ein Besuch in einer Werksattt. Da kann ich für ein paar Umdrehungen einen entsprechenden Drehmomentschlüssel benutzen. Wäre sicher nicht nötig gewesen, hat aber auch nicht geschadet. Fertig! Für die weiteren Schritte habe ich die Pedale mit einem Edge 1000 gekoppelt. Auch das war kein Problem.
Die Kalibrierung erfolgt im Stehen, Schuhe aus den Pedalen. Die anschließende Einstellung des Monategwinkels erfolgt im Fahren mit 70 – 90 Pedalumdrehungen pro Minute. Sie vermittelt den Vector Pedalen die Info, wie die Pedale genau eingebaut sind (vereinfacht: wo ist oben), da das beim anschließenden Betrieb wesentliche Basis für Trittfrequenz, vor allem aber die unterschiedlichen Aspekte der Cycling Dynamics sind.
Aber noch einmal der Hinweis: Alles ganz einfach, steht in der Anleitung und funktioniert auch genau so. Deshalb will ich mir hier weitere Darstelllungen ersparen.
Die Datenflut
Sobald die Pedale einmal mit dem Computer verbunden sind (ich habe einen Edge 1000 verwendet), setzt sie ein, die Datenflut. Deshalb erst mal einige Erläuterung über die Daten, die zur Verfügung gestellt werden.
Cycling Dynamics
Die Cycling Dynamics kommen auf einer eigenen Trainingsseite auf dem Edge daher. In zwei graphischen Bereichen werden die Power Phase sowie der Plattform Center Offset jeweils für das rechte und das linke Pedal dargestellt. Die Daten kann man sich auf einer beliebigen anderen Trainingsseite auch als Text anzeigen lassen. Die beiden anderen Felder der Trainingsseite kann man frei belegen. Ich habe mich, wie ihr seht, für die Trittfrequenz und die Steigung entschieden.
Was ist nun die Power Phase bzw. Plattform Center Offset? Schauen wir mal, was Garmin dazu sagt.
Power Phase (PP)
Die Graphik zeigt an, von wo bis wo bei einer Pedalumderhung Druck auf das Pedal ausgeübt wird. Wenn man annimmt, dass jeweils oben 0 °/ 360 ° sind, wird also in unserem Bild auf dem Linken Pedal von rund 350 ° bis ca. 265 ° Kraft auf das Pedal ausgeübt. Das ist immerhin auf 3/4 der Pedalumdrehung. Der dunklere Keil in der Graphik zeigt, wo die maximale Kraft (Peak Power Phase, PPP) ausgeübt wird. Der Prozentsatz der Leistung, die dabei berücksichtigt werden soll, lässt sich einstellen (z.B. 50%). Das ist z.B. beim rechten Pedal zwischen etwa 90 ° und 130 ° und damit ungefähr auf 40 °
Plattform Center Offset (PCO)
Im Plattform Center Offset wird dargestellt, wie weit von der Pedalmitte die Kraft auf das Pedal wirkt. Die Angaben werden in mm gemacht.
Verfügbare Leistungsdaten
Die Liste der verfügbaren Leistungsdaten ist lang. Da müssen wir jetzt nicht auf jedes Detail eingehen, wollen wir auch gar nicht. Im Anhang habe ich euch die ensprechenden beiden Seiten aus dem Handbuch abgebildet. Hier will ich nur einige Werte kurz erläutern, die sich mir teiweise nicht sofort erschlossen haben.
Normalized Power
Hinter der Berechnung liegt einiges an Mathematik, die wir uns gerne ersparen. Hier zwei „geklaute“ Erläuterungen:
Geschätzte Leistung, die erforderlich wäre, um die gleiche Leistung zu erbringen, wie die während des aktuellen Trainings tatsächlich erbrachten Durchschnitts-Leistung, wenn diese perfekt konstant gewesen wäre. (s.a. http://www.tramsoft.ch/gps/garmin_forerunner920xt.html)
Die Normalisierung der Leistung ist außerdem der Versuch, unterschiedliche Belastungsformen (z.B. Zeitfahren mit gleichmäßiger Belastung und sehr variable Kriterien mit vielen harten Antritten aber auch vielen Phasen, in denen nur mitgerollt wird) unter dem Gesichtspunkt des Stresses für den Stoffwechsel miteinander vergleichbar zu machen. (s.a. http://www.rennrad-news.de/forum/threads/definitions-frage-tss-atl-ctl-tsb.89196/)
Drehmomenteffektivität
Garmin sagt dazu: Der Messwert für die Effizienz der Pedalumdrehungen des Radfahrers. Wir haben viele Erklärungen im Netz gefunden, die teilweise heftig in Theorie einsteigen. Wir laden jeden ein, sich diesen Wert selbst zu erschließen.
Gleichmäßigkeit des Tretens
Garmin sagt dazu: Ein Messwert für die Gleichmäßigkeit, mit der ein Radfahrer bei jeder Umdrehung Kraft auf die Pedale auswirkt.
Praxistest
Im Praxistest bin ich natürlich viel Fahrrad gefahren. Auf den bekannten beiden Rädern (Cucuma Foìa, Cucuma Veloz Pro 2) waren das in der Kürze der Zeit, die mir die Pedale zur Verfügung standen, immerhin knapp 1.000 km. Da ich die Messwerte nicht andeutungsweise alle im Blick behalten konnte, habe ich mich erst mal auf einige, wenige Angaben beschränkt.
So habe ich z.B. gleich zu Anfang festgestellt, dass die Kraft sehr weit außen auf die Pedale einwirkt (PCO, s.o.). Nachdem ich die Cleats an den Schuhen ein wenig verschoben und verdreht habe, war der Offset nur noch minimal.
Bei der Leistung selbst fiel mir sehr schnell auf, dass meine Werte offensichtlich lustig vor sich hin pendeln. Ich habe also nur sehr ungleichmäßig getreten. Wenn’s eben war oder gar bergab ging, habe ich die Füße sehr früh hoch genommen. Klar, Erholung muss auch sein, aber hier liegt sicherlich eine Quelle für eine Leistungssteigerung. Sobald es bergauf geht sind die Werte erfreulich gleichmäßig, das darf gerne so bleiben.
Bis auf einen Aussetzer haben die Pedale kontinuierlich Daten an den Edge gesendet. Einmal allerdings sind die Daten vom linken Pedal komplett ausgefallen. Dumm, wenn einem das unmittelbar vor oder gar während eines Wettkampfs passiert. Ich hatte Zeit und habe erst mal versucht, die Sache durch neues Kalibrieren wieder auf die Reihe zu bekommen. Da das nicht funktioniert hat, habe ich am Ende die Batterie aus- und wieder eingebaut. Dann war die Sache nach neuer Einstellung wieder in Ordnung. Beim anschließenden Stöbern im Internet habe ich festgestellt, dass das anscheinend auch schon anderen passiert ist. Eine stabile Abhilfe scheint es derzeit (noch) nicht zu geben.
Auswertung
Die Anzeige der gemessenen Werte ist das eine und ermöglicht einem, die gesetzten Trainingsziele umzusetzen. Der andere Part ist dann die nachträglich Auswertung zu hause am Computer. Um die kommt man sicher nicht drum rum, wenn man sein wattgesteuertes Training vernünfitg bewerten und die jeweils nächsten Schritte planen will. Zur Auswertung stehen unterschiedliche Hilfsmittel zur Verfügung.
Garmin Connect
Da wir in unserem Test Garmin Produkte eingesetzt haben, ist Garmin Connect natürlich eine Plattform, die sich zu nachträglichen Analyse anbietet. Hier werden ausgewählte Messwerte sowohl graphisch als auch textuell dargestellt.
Golden Cheetah
Auch mit Golden Cheetah können korrrespondierende Werte gemeinsam dargestellt werden, so dass sich Abhängigkeiten erkennen lassen.
Durch Klicken auf eine der Kurven im bunten Vielerlei kann man sich dann einzelne Werteverläufe anschauen.
Sporttracks
Eine dritte Möglichkeit der Darstellung bietet Sporttracks. Auch hier kann man gezielt mehrere Kurven in einer gemeinsamen Darstellung unterbringen, um Abhängigkeiten zu erkennen.
Oder man sieht sich gezielt einen Wert über der Zeit (oder der Entfernung) an.
Eigene Auswertungen
Die oben vorgestellten Auswertungen zeigen einem zwar unterschiedliche Messwertreihen einer Trainingsfahrt. Will man aber mehrere Fahrten auf der gleichen Strecke vergleichen, muss man selbst aktiv werden. Ich habe mir zunutze gemacht, dass Golden Cheetah die übernommenen Daten im Klartext speichert. Die JSON Datei habe ich nach xls konvertiert und dann konnte ich damit rum spielen. Wenn sich jemand über die Graphik am rechten Rand des Berichts gewundert hat, dann will ich das Geheimnis jetzt lüften. Hier sind zwei Kurven der Wattwerte von zwei Trainingsfahrten auf gleicher Strecke miteinander dargestellt. Ähnliches lässt sich natürlich auch mit anderen aufgezeichneten Werten machen.
Liste der gesammelten Erkenntnisse
Um den Bericht abzurunden und endlich zum Schluss zu kommen, fehlt eigentlich nur noch die Liste der gesammelten Erkenntnisse:
- mein vermeintlich schwächeres Bein ist eigentlich das stärkere (Leistungsverteilung links-rechts 52% – 48 %)
- die Wattleistung ist sehr ungleichmäßig
- am Berg ist die Leistung dagegen erstaunlich gleichmäßig
- bei Ermüdung wirkt die Kraft auf dem Pedal sehr weit außen
- für ernstes wattgesteuertes Training müsste ich mich erst mal gründlich mit der Theorie vertraut machen
- aus den gesammelten Erkenntnissen lässt sich auch ohne Wattmessung eine Performanceverbesserung erreichen
- auch wenn Herzfrequenz und Trittfrequenz bei zwei Touren auf gleicher Strecke nahezu identisch sind, kann die Wattleistung sehr deutlich variieren
Fazit
Montage und Kalibrierung der Pedale sind wirklich einfach. Damit kann man sie auch ohne Probleme mal schnell an eine anderes Rad montieren. Lieferung mit (anderen) gängigen Pedalsystemen (SPD SL, SPD o.ä.) wäre schick. Die unabhängige Messung an beiden Pedalen ist auf jeden Fall von Vorteil. Den Preis muss man sich halt leisten können.
Anhang Pros und Con’s
Pro | Contra |
---|---|
leicht zu installieren | stolzer Preis |
misst beide Pedale unabhängig | kein komplettes System zur Trainingauswertung; Garmin Connect reicht nicht aus |
Cycling Dynamics in graphischer Darstellung | funktioniert nur mit den mitgelieferten (oder Look/Kéo) Pedalplatten |
Vielzahl an Messwerten anzeigbar | |
kontinuierlicher Vergleich rechts – links |
Anhang Links
Im Anhang findet ihr noch ein paar Links zu anderen Artikeln, die wir auf unserem Blog im Themenumfeld bereits veröffentlicht haben.
Buchempfehlung: Watt bringt’s? Mit Wattmessung das Training steuern http://www.rund-ums-rad.info/watt-trainingssteuerung
Garmin Vector Wattmesssystem http://www.rund-ums-rad.info/garmin-vector-testbericht
Stages Powermeter- Dauertest und Überblick der Vorteile im Training http://www.rund-ums-rad.info/stages-test-105-dauertest/
Anhang: Übersicht über die anzeigbaren Leistungsdaten
Felder für Leistungsdaten der Vector 2 Pedale
Sehr schöner Bericht und gute Einblicke. In den letzten Monaten hat sich sogar noch einiges getan und zumindest einen deiner Contra-Argumente konnte Garmin entgegen wirken: Das System lässt sich jetzt auch mit Shimano Pedalen benutzen. Was Garmin Connect angeht gebe ich dir recht. Meine ganzen Analysen finden auf Strava statt, da hat Garmin sicherlich noch Nachholpotenzial.
Den Kostenpunkt sehe ich nicht so kritisch. Im Vergleich zu anderen Systemen hält sich der Preis doch noch in Grenzen, aber klar: günstig ist so eine Technologie nie.
Danke für das positive Feedback, so was lesen wir gerne 😉
Das Shimano Kit steht für nächstes Frühjahr auf unserer Liste. Die Produktidee verstehe ich nur bedingt. Garmin verkauft mir die Vector 2 mit Look kompatiblen Pedalen. Dann kann ich für 129,00 € ein Kit kaufen, mit dem ich meine Shimano Pedale umbauen kann. Warum kann ich mir beim Kuaf nicht einfach aussuchen, welche Pedale ich haben will? Verkehrte Welt.
Im Vergleich gibt es übrigens von Favero die BePro Pedale mit einer ähnlichen Technik für 749,00 €.
Zur Analyse habe ich irgendwann mal ein paar Euro bezahlt und bin bei Sporttracks geblieben 😉