“Ist das dein erstes 24h Solo-Rennen?” “Ja, ich wollte einfach mal sehen, wie das so ist.” “Dafür hast du aber ein ganz schön zügiges Tempo drauf” “… hmm, ja, keine Ahnung, noch läuft es ;)”
Dieses kleine Gespräch führte ich mit Michael Kochendörfer gegen 18:00 Uhr nach ca. 6h Renndauer. Dabei wusste ich noch nicht mal, mit wem ich es zu tun hatte und das es jemand war, der im Ultra-Marathon Bereich sehr hoch gehandelt wird.
Wie es zu diesem Dialog überhaupt kam, erfahrt ihr in den kommenden Worten.
Irgendwann Anfang April stand die Frage im Raum, wer an einem 24h Rennen teilnehmen möchte, welches Anfang Juli stattfindet, denn wir bekommen einen Startplatz gestellt. 24h Rennen? Klar, ich würde auch mitmachen? Achso, wir bekommen 1 Startplatz gestellt – 1 Einzelfahrerplatz. Egal, ich würde mitmachen wollen. So schnell kam ich also zu meinem Glück und zu dem Zeitpunkt schien es auch noch ewig hin zu sein, schade nur, dass die Zeit zu schnell vergeht und kaum bewegt man sich mal vom Computer weg sind es auch schon 3 Monate später, man sitzt bei 40ºC Außentemperatur im Auto und fährt nach Offenburg zur Worldclass Mountainbike Marathon Challenge.
Das Rennen, welches Teile der alten World Cup Strecke enthält, wurde mir als sehr spaßig und abenteuerlich angepriesen.
Nach einer etwas zu warmen Nacht in Karlsruhe bei Flori, meinem Trainer, Betreuer und Teamkollegen ging es zusammen mit der “Race-Mutti” am Morgen des 04.07.2015 zum besagten Austragungsort meines ersten 24h Solo-Rennens.
Tierisch entspannt bauten wir Pavillon und Fahrerlager auf. Ich ging gemütlich meine Startunterlagen abholen. Cool, sogar mit Name und Rückennummer, aber auch nur für die Einzelstarter, damit man den lahmen Schnecken sicherlich später besser ausweichen kann, dachte ich mir. Noch Rad fertig machen und naja, ihr wisst schon, was man eben vor so einem Rennen immer macht. Irgendwann war es dann auch kurz vor 12Uhr Mittags und die Sonne gab alles, mit ihren graziösen Sonnenstrahlen, die den Körper zum schwitzen brachten, ohne das man sich hierfür auch nur einen Zentimeter bewegen muss. Ich weiß nicht mehr genau, waren es 36ºC oder 38ºC, aber wen interessiert das jetzt noch. 3 – 2 – 1 und BAM da knallen die Fahrer der 8er Teams los, prügeln die Einführungsrunde rum und dann sind sie auch schon weg, da komme ich auch endlich zum einklicken in die Pedale. Na dann mal viel Spaß.
Das Höhenprofil und die Strecke sind deutlich auf der Zeichnung zu erkennen. Es ging los mit einem steilen kurzen Asphaltuphill, gefolgt von einem Trailuphill, runter, hoch, runter, hoch und zum Schluss noch einen sehr geilen Flowtrail zurück, der war wirklich genial, vor allem in der Nacht, aber nichts vorweg. Also, hoch, runter, hoch, runter, hoch, Flowtrail. Hoch, runter, hoch, runter, hoch, Flowtrail. Geil, es sind ja auch schon 45min rum.
Was soll ich schreiben? Das genannte Schema fuhr ich also Runde um Runde, bis *PENG* mein Pedalkörper von der Achse sprang und ich stutzig am Berg stand, ohne genau zu wissen, was gerade passiert war. Pedal ab? Mist! Zurück zum Lager, aber einbeinig. Unten angekommen, rumgelaufen: “Habt ihr ein Crankbrother Pedal?”, “Ihr?”, “Jemand?”. Und tatsächlich es gab ein Team, welches mir helfen konnte. Ran und weiter, das war ein Schreck, nach gerade mal 4h Fahrt.
Nach dem Rennen wurde ich oft gefragt, wird das nicht irgendwann langweilig?
Ehrlich? Nee, irgendwie war es sogar sehr interessant. Man hat ein paar Gedanken, kann die vollends zu Ende denken, oder unterbrechen, man unterhält sich, trifft neue Leute, übersieht mal wieder ein bekanntes Steinchen und denkt sich, “den sollte ich doch wirklich kennen”. Zwischendurch rechnet man ein bisschen, um das Gehirn am laufen zu halten. “Es sind jetzt 6h rum, ich bin jetzt ca. 21 Runden gefahren, das macht … 119,7km gefahren. Dann das ganze mal 4 … Ach schau, ein Schmetterling.”
Der aufmerksame Mathematiker wundert sich jetzt, warum eine Runde nur 5,7km lang war. Ganz einfach, zwischen 12-22 Uhr und 8-12 Uhr war die Runde jeweils verkürzt, damit wir mehr im Wald/ Schatten fahren konnte, da der eigentlich lange Uphill entlang der Weinberge in der prallen Sonne lag. Danke dafür an den Veranstalter.
Irgendwann traf ich dann Michael Kochendörfer, wie eingangs beschrieben und wir fuhren ein paar Runden zusammen, bis er zum Lampe anstecken anhalten musste und ich wieder meiner Wege fuhr.
Mit der Nacht kam auch der Spaß zurück, aber leider nicht allzu lange, denn kurz vor 24:00 Uhr wurde ich so müde, dass ich beim langen Schotterdownhill mit zufallenden Augen kämpfen musste. Wahnsinn, beim Radfahren einschlafen… In der Teamarea sprach ich kurz mit Flori und meiner Race-Mutti, was tun? “Du fährst jetzt noch eine Runde und in der Zeit holen wir einen Kaffee, den trinkst du dann, legst dich für 20min hin und dann wirkt der Kaffee. Anschließend geht es wieder los”, das waren die ruhigen, aber weisen Worte von meinem Trainer, Betreuer und besten Freund. “Okay!”. Hoch, runter, hoch, runter, hoch, Flowtrail.
Nachdem ich mich für 20 Minuten zum ruhen gelegt hatte und im Anschluss mit einem sehr rabiat zärtlichen Anstubsen geweckt wurde, saß ich kurz da und sprach die Worte aus, die sich jeder wohl schon mal gedacht: “So ein Mist. Ich habe kein Bock mehr! Wer hat sich das ausgedacht? Warum wollte ich das machen, ist doch Mist!”. Auf diese kurze Tiefphase kamen wieder die harten, aber wichtigen Worte die ich so sehr brauchte: “Du steigst jetzt aufs Rad, bekommst dann noch nen Kaffee und genießt das Nightriden, wann kommst du sonst mal dazu…”
Da hatte er wohl recht. Wann seid ihr das letzte Mal mit eurer taghellen und teueren Lampe auf den Trails unterwegs gewesen? Und tatsächlich, es war geil. Hoch, runter, hoch, runter, hoch, Flowtrail, Kaffee und weiter. Geil! Mit den Gedanken einfach die Nacht zu genießen lief es einfach super, ohne Druck und mit einer Menge Spaß.
Kurz bevor der Tag anbrach, legte ich nochmals kurz eine Kaffee – Ruh – Kaffee-Pause ein, welche sich später als dezente Fehlplanung herausstellte, aber wie meine Platzierung zu der Zeit war, wusste ich sowieso nicht, sondern nur Flori und meine Race-Mutti.
Irgendwann ging es dann auch langsam zu Ende. 2:30h noch, bevor eines meiner langanhaltensten Rennen auf dem Rad zu Ende war, Zeit, um endlich mal Gas zu geben.
Das Frühstück auf dem Rad einzunehmen war eine grandiose Aktion für sich. Im Abstand von wenigen Kehren standen erst Flori und dann meine Race-Mutti, die mir verschiedenste Sachen zuriefen: “Eier, Apfel, Banane, Bulette, Brot? Wasser, Iso? Wir servieren heute frisch vom Buffett Kaffee und ein Ei!” Eins hatten wir definitiv, Spaß!
Irgendwann kam der Punkt, dass Flori mir meine aktuelle Lage um meine Platzierung zu erzählen versuchte, nur leider verstand ich das nicht mehr. Es war schon wieder sehr warm geworden und das Gehirn führte nur noch die in dem Moment wichtigen Aktionen durch, pedalieren und atmen, in der Reihenfolge. Unterwegs versuchte ich zwar die Gedanken zu ordnen, die mir zugerufen worden, jedoch vergeblich.
Hoch, runter, hoch, runter, hoch, Flowtrail. Hoch, runter, hoch, runter, hoch, Flowtrail. Die Strecke immer noch so gut wie zu Beginn. Es kam auch wie sehnlichst herbeigewünscht die allerletzte Runde und natürlich quetschte ich die Beine nochmals aus und hoffte, dass noch was raus kommt.
Letztendlich erreichte ich das Ziel.
Leider sammelten sich oberhalb des Zielhügels die Teams, um jeweils gemeinsam einzufahren, dadurch fielen die Einzelstarter ein bisschen runter, was ich natürlich als sehr schade empfinde, da man so sehr auf diesen Moment hofft, dass man durchs Ziel fahren kann und dann verpufft der Moment in der Masse der Teams.
Der Moment der kurzweiligen Trauer wurde jedoch durch die Worte: “Du bist 3ter bei den Einzelfahrern geworden” sofort wegrationalisiert.
“Was? Wirklich?”, da mein Gehirn in dem Moment nur noch wenig verarbeiten konnte, glaubte ich es kaum, erst als ich überglücklich auf das Podest gestiegen war, bemerkte ich, dass kurz zuvor schon die Wahrheit gesprochen wurde.
Auch hier wurde jedoch die Stimmung wieder kurz gedrückt, in dem als Ehrung lediglich eine Urkunde zur diesjährigen Salzkammergut Trophy im darauffolgenden Wochenende überreicht wurde. Keine Medaille, kein Pokal, keine Erinnerung, nur ein Gutschein für ein Rennen, wo man sich nicht erst 1 Woche zuvor, nach einem 24h Rennen entscheidet zu starten. Klar klingt es anmaßend etwas zu fordern, denn der Gutschein hatte ja auch seinen Wert, aber irgendwie fehlt da doch was, vor allem wenn man den Titel Worldclass Mountainbike Marathon Challenge betrachtet.
Alles in allem war es jedoch eine krasse Erfahrung. Ich konnte nicht mehr sitzen, das Laufen fiel mir schwer und das Gehirn verarbeitete nur noch die wichtigsten Sachen, aber das reichte auch. Ob ich Gefallen gefunden habe? Ja, irgendwie schon, denn geil war es definitiv und es wird nicht mein letztes 24h Solo Rennen gewesen sein.
Meine Fahrtzeit betrug 22 Stunden und 38 Minuten in denen ich 434,68 Kilometer mit 9.067 Höhenmeter zurücklegte, das entspricht ungefähr der Strecke von München HBF nach Leipzig HBF. Mit einem Schnitt von 19,21 Km/h war das noch nicht mal eine Kaffeefahrt. Genaueres dürft ihr auch gerne unter dem folgenden Link einsehen
https://www.strava.com/activities/339554670/analysis
“Was war der erste Gedanke den du hattest, als du übers Ziel fuhrst?”, diese Frage konnte ich nur so einfach wie möglich beantworten.
“Zwei Kugeln Eis!”
Cheers,
Felix