Bike Bremsen / Beläge

BrakeStuff Custommade Bremscheiben – Testbericht

Customized Bikes sind in – und das nicht ohne Grund. Wer will schon ein Rad von der Stange fahren und sich damit in den Kreis der Spießer einreihen, für die Exklusivität ein Synonym für überflüssiges Gerümpel ist? – Du vielleicht? Dann gebe ich dir diesen Satz noch Zeit auf X zu drücken und zu verschwinden…
*hust* So.

Die, die noch da sind und sich einen Hauch Extravaganz ans Rad schrauben möchten, dürfen sich jetzt zurücklehnen und für eine kurze Zeit bei den Nymphen weilen. Was ich mit dem ganzen Unsinn meine? Seht selbst…

Es geht um Bremsscheiben – ganz besondere Bremsscheiben.
Dieses Exemplar weiblicher Formgebung viererlei wurde mir feierlich überreicht und ich habe die Ehre zu testen ob sie halten, was sie mir heute Nacht geflüstert haben…
…Hmm, Standfestigkeit, hmm, Bremskraft, hmmm, alle werden Dich dafür bewundern uns am Rad zu haben, hmmm…
Bremsscheibe_Naked
Leider wurde ich schnell enttäuscht.
Nach intensiver Nachforschung kann ich versichern, die Scheibe wurde definitv NICHT von 12 Jungfrauen bei Vollmond handgeklöppelt und in den Feuern Mordors gehärtet, sondern in der deutschen Schmiede „BrakeSTUFF Company“ aus nem Blech gelasert.
Auch gut – dachte ich mir. Mein Job ist schließlich nicht diesem entzaubernden Umstand nachzuweinen sondern alle erdenklichen Tortouren und Foltern über die Scheiben ergehen zu lassen, womit wir auch schon beim Kerker meiner Wahl wären…

Ein Wort. Trial.

Das Rumgehüpfe ist eine ziemliche Belastung für die Bremsen, bei den ganzen fiesen Spielchen sind entweder hohe Bremsmomente oder eine gute Standfestigkeit und Dosierbarkeit notwendig, am besten noch bei geringer Fingerkraft und wenig Hebelweg.
Das alles hängt zwar nicht ganz allein an unseren vier Mädels, aber eine gute Reibpaarung zur Scheibe ist da sicher nicht abträglich.
Werfen wir doch mal einen genaueren Blick drauf…

Short Kick

Out oft the Box:
Der Hersteller bietet alle Scheibendesigns für alle gängigen Standards an und ganz wichtig: „Sicherheit geht vor Leichtigkeit“. Auch meine spezielle und hoch aussagekräftige Qualitätsprüfung mittels Schieblehre, Ceranfeld und Lumina erhärtet den Verdacht, dass die Scheibe weder in der Dicke, der Planheit oder dem Schliff der Oberfläche nennenswert von den versprochenen Angaben abzuweichen scheint, darum bin ich schon mal guter Dinge was den Test am Rad angeht.

Ach ja, sollte das fleischliche Eheweib von den stählernen Konkurrentinnen wenig begeistert sein oder aus anderen Gründen ein abweichendes Design gewünscht werden, auch hier wird man selbstverständlich geholfen. Alles was technisch machbar ist, wird gemacht, jeder kann eigene Vorschläge einreichen.
Diese werden von BrakeSTUFF geprüft und ggf. abgeändert, es sei nochmal auf das Zitat zur Sicherheit verwiesen…
Der Stahl wird auf Wunsch (bei individuellen Scheiben immer) einer Härtung unterzogen und nochmals in seinen Eigenschaften wie Verschleißwiederstand, Standfestigkeit und den Federeigenschaften verbessert.

Bei meinen Tests habe ich als Referenz die Originalscheibe in Kombination mit einer hydraulischen Bremsanlage von Echo. Auch sie hat gut funktioniert, darum ist die Messlatte entsprechend hoch.

Die Plattform bietet ein 20“ Trialbike, das vorne und hinten mit Scheibenbremsen ausgerüstet ist.
Beim Trial sehr verbreitet und von manchen sogar bevorzugt sind hydraulische und mechanische Felgenbremsen in Kombination mit „angeflexten“ Bremsflanken (mit einem Winkelschleifer senkrecht zur Felgentangente aufgerauht).
Diese sind sehr standfest, der Scheibenbremse aber in einem Punkt, nämlich der Dosierbarkeit, etwas unterlegen.

Die Bremsanlage ist vergleichbar mit der Hope Mono-Trial, übersetzt die Kraft aber etwas niedriger.
Sie verzichtet im Gegensatz zu den meisten MTB-Bremsen auf eine automatische Belagsnachstellung mittels Ausgleichbehälter und lässt sich nur durch eine Stellschraube einstellen.
Der Hintergrund ist, dass beim Trial wenig Strecke zurückgelegt wird und sich ein exakter Druckpunkt bei hoher Bremskraft so einfacher erzielen lässt.

Trial als Einsatzgebiet ist weniger gut geeignet um Aussagen über den Verschleißwiederstand oder die Temperatureigenschaften zu treffen, als vielmehr eine Bremsen-Bremsscheibenkombination in Bezug auf ihre „Kalteigenschaften“ zu beurteilen.
Genau das will ich machen, die „nackten“ Eigenschaften der Bremse ohne Störgrößen wie extremes Erhitzen darstellen.

Machen wir zunächst aus der Not eine Tugend: Die Oberflächen werden nach Herstellerangabe geschliffen, dadurch ergibt sich eine geringe Oberflächenrauhigkeit die sich dadurch bemerkbar machen sollte, dass sich die Scheibe schnell an die Beläge anpasst und umgekehrt.
Die anfangs noch erkennbaren Riefen sind nach wenig Strecke (ca. 1000m Abbrems-Beschleunigungszyklen) weitgehend verschwunden und damit ist die Scheibe optimal auf die Beläge eingeschliffen.
Während dieses Prozesses kann ein deutlicher Anstieg der Bremskraft vernommen werden, besonders die Standfestigkeit ist mit semi-organischen Belägen jetzt enorm gut.

Eine Schwierigkeit beim Trial: Die Ausrichtung der Bremsscheibe.
An dieser Stelle muss ich Euch mit etwas Theorie Nerven. Keine Angst, es tut nicht lange weh und eventuelle Schäden gehen nach spätestens drei Tagen wieder weg…

Normalerweise werden Bremsscheiben so ausgelegt, dass der Reibring auf Zug und die Speichen auf Druck belastet werden. Warum?
Ihr wisst alle:
1.) Etwas Dickes ist stabiler als etwas Dünnes
und
2.) zerdrücken ist schwerer als zerreißen.

Grundsätzlich ist das alles, was man über Metalle wissen muss, sie ertragen Druck besser als Zug, vor allem bei dynamischen Lasten.
Daraus folgt schlauerweise, dass man die Streben dünner machen kann, wenn man sie auf Druck belastet.

Außerdem ist die ertragbare Last höher, wenn man in einem „Schwellbereich“ operiert anstatt in einem „Wechselbereich“. Darum ist es auch so wichtig, dass Ihr Eure Laufräder so gleichmäßig wie möglich einspeicht, weil lockere Speichen brechen, wenn sie wechselnd bei jeder Raddrehung auf Biegung und Zug belastet werden, statt nur auf Zug. Nur mal so nebenbei…

Gullideckel Kick

Was man auch kennt: Tesafilm zieht man auch aus dem Spender, man drückt es nicht, weil sich das Band durch die Zugkraft von selbst gerade ausrichtet.
Genau das nutzt man beim Reibring aus, er wird auf Zug belastet um ihm immer „gerade zu ziehen“.
Er ist dicker als die Speichen und deswegen nicht Bruchrelevant.
Das bringt (theoretisch), dass die Bremse gleichmäßiger bremst.

Das Problem beim Trial ist nun – ihr habt es sicher geahnt – das man nicht sagen kann, welche Lastrichtung wichtiger ist. Die Scheibe wird in beide Richtungen belastet, insofern wird man mindestens in der Hälfte der Fälle vom ungünstigeren Lastfall ausgehen müssen und das ist erstmal schlecht…
…wenn die Lösung nicht einfach wäre, die Scheibe so dick zu machen, dass es egal wird.

Das Ganze trifft also nur auf Scheiben aus dem Ultraleichtsektor zu, an denen gespart wurde bis zum umfallen (wenn man Pech hat im wahrsten Sinne des Wortes).

Nicht dass ich die Mädels dick finde (um Gottes Willen!), aber die Scheibe erscheint trotz nur vier Hauptstreben bis jetzt hinreichend stabil zu sein, um beide Richtungen auszuhalten.

Beim Hüpfen oder Springen auf dem Hinterrad wird die Bremsscheibe jedes mal schlagartig (=sehr schnell) belastet.
In der Regel verhalten sich Metalle dann spröder, brechen also unter Aufnahme von weniger Energie, außerdem steigt die Versagenswahrscheinlichkeit mit der Anzahl dynamischer Lastzyklen.
Wenn man eine Scheibe also ohne Fremdeinwirkung kaputtbekommt, dann so. Jeder Hüpfer ist so ein Lastzyklus, man bedenke wie oft man auf dem Trail die Bremse ziehen müsste, um zwei Minuten auf dem Hinterrad hüpfen nachzustellen.
Nach drei Wochen mehr oder minder starker Benutzung sind abschließende Aussagen über die Haltbarkeit leider noch nicht drin, aber wenn sie in einem Jahr bricht und ich dabei drauf gehe, werde ich Euch selbstverständlich informieren…

Das eigentlich Zentrale ist hier die Standfestigkeit und die Bremskraft bei plötzlicher Belastung, das Rad muss möglichst schnell zum stehen gebracht werden und darf nicht durchrutschen, sonst droht ein unangenehmer Abflug auf den Hintern.
Die alte Scheibe war hier zugegebenermaßen gefühlt schwächer, hatte aber auch von der Fläche her einen kleineren Reibring.
Interessant wäre hier ein Vergleich zweier Scheiben gleicher Geometrie aber verschiedenen Materials. Leider kann ich das aber nicht unter akzeptablem Aufwand durchführen, darum begnügt Euch einfach erstmal mit obiger Aussage.

Allenfalls „problematisch“ ist, dass der Reibring speziell bei diesem Modell designbedingt sehr schmal ausfällt. Wenn man sich also daran stören sollte, dass die Beläge teilweise auch die Köpfe abschleifen, sollte man die Breite des alten Reibrings mit der neuen vergleichen. Technisch sehe ich – sofern es nicht mehr als ca. 1/5 der Gesamtbreite ist – kein wirkliches Problem.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass sich die Scheibe von BrakeSTUFF als gut erwiesen hat, zumindest in der kurzen Zeit in der ich sie getestet habe.
Die Verarbeitung und die Produktpalette sind ansprechend und bei Sonderanfertigungen wird die Machbarkeit vorab geprüft, sodass man nicht mit unfunktionierenden Überraschungen rechnen muss.

Der Autor

Näheres zu den Scheiben von BrakeSTUFF findet ihr, wenn ihr auf das Logo klickt.

Über den Autor

Dominik

Ein Mann – eine Aufgabe. Er testet für euch, damit ihr hart verdientes Lehrgeld spart.
Er testet für euch, damit ihr euch nicht über Fehlkäufe ärgert.
Er testet für euch, damit ihr bescheid wisst.
Eine Aufgabe – ein Mann dafür.

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