In dieser dreiteiligen Artikelserie geht es um das Thema Krafttraining im Speziellen für Radfahrer. Nun, da in Teil 1 und Teil 2 ausführlich behandelt wurde, weshalb ein Krafttraining für Radsportler Sinn machen kann, kommen wir im letzten Teil zur praktischen Umsetzung des Ganzen.
Der Aufbau dieser Artikelserie:
Teil 1: Gängige Mythen
Teil 2: Vorzüge des Krafttrainings für Radfahrer
Teil 3: Krafttraining in der Praxis
Gehen wir noch einmal den Überlegungen aus Teil 2 nach, so sollte das Krafttraining folgende Zwecke erfüllen:
1.) Stärkung schwacher Muskelpartien und Ausgleich von Dysbalancen (s. Punkt 1 in Teil 2)
2.) Leistungsverbesserung auf dem Rad
3.) das Radtraining möglichst wenig beeinträchtigen
Um dies zu erreichen, ist es von besonderer Wichtigkeit, dass ein Krafttraining an ein Radtraining angepasst wird und nicht willkürlich Übungen und Wiederholungsbereiche zusammengewürfelt werden. Um ein Krafttraining sinnvoll zu gestalten, bedeutet dies also die Berücksichtigung einiger zentraler Parameter:
1.) Die Übungswahl
2.) Das Volumen (Satz- und Wiederholungszahlen)
3.) Die Frequenz (Trainingshäufigkeit) pro Woche
4.) Die Intensität der Übungen (Höhe des Gewichts)
5.) Die Progression (Steigern der erbrachten Leistung)
6.) Die Erholungsphase
Die im Folgenden dargestellten Überlegungen sind generalisiert und je nach Athlet, dessen Trainingslevel usw. in der Realität individuell – allerdings bilden die genannten Aspekte eine sehr gute und solide Grundlage und ermöglichen in den meisten Fällen ein erfolgreiches Krafttraining.
1.) Die Übungen
Die Übungen für den Radsportler sollten zum einen spezifisch und zum anderen möglichst effizient sein.
Spezifizität bedeutet, dass mittels eines Trainings die Strukturen und Systeme im Körper beansprucht und stimuliert werden und letztlich adaptieren (=sich anpassen), die auch bei der sportspezifischen Aufgabe (hier: Radfahren) benötigt werden (vgl. Israetel, Hoffman, Smith, 2015, S. 26).
Das Radfahren an sich stellt für den Radfahrer also die spezifischste Form des Trainings dar. Das Training auf einem Fahrradergometer ist ebenfalls spezifisch, aber weniger als das Training auf einem richtigen Fahrrad. Joggen entfernt sich noch weiter von der absoluten Spezifizität und Nordic Walking letzlich ist vollkommen unspezifisch für den Radfahrer.
Je mehr sich das Training also vom eigentliche Sport entfernt (von der Bewegung, von den Belastungen und den dadurch ausgelösten Prozessen im Körper), desto unspezifischer wird es.
Übertragen auf das Krafttraining für den Radsportler bedeutet dies also, dass auch bei der Übungswahl darauf geachtet werden sollte, diese möglichst spezifisch zu gestalten. Der Übertrag vom Krafttraining auf das Radfahren sollte möglichst groß sein.
Auf der anderen Seite, um die o.g. Zwecke des Krafttrainings zu erfüllen, muss ein Krafttraining auch nicht 100% spezifisch sein.
Nehmen wir das Beispiel der Kniebeuge: Oftmals werden nur halbe Kniebeugen durchgeführt, da schließlich jeder Pedaltritt auf dem Rad ebenfalls in etwa dem Bewegungsumfang einer halben Kniebeuge entspricht.
Während dadurch sicher auch die Leistung verbessert werden kann, kann es zusätzlich das Problem von Dysbalancen verstärken: es wird kein voller Bewegungsradius genutzt, die starken Muskeln werden weiter gestärkt, die schwachen Partien weiter vernachlässigt.
Effizienz bedeutet, möglichst viel Arbeit in möglichst wenig Zeit zu bewältigen. Das bedeutet, dass überwiegend Übungen gewählt werden sollten, die viele Muskelpartien gleichzeitig beanspruchen. Würde jeder Muskel einzeln bearbeitet, so bräuchte es ungemein viel Zeit und Übungen, um ein Training zu absolvieren und könnte das eigentliche Radtraining beeinträchtigen. Zudem sind solche Mehrgelenksübungen spezifischer für den Radsportler, da auch das Radfahren immer mehrere Gelenke involviert.
Es gibt eine Vielzahl an unterschiedliche Übungen und Variationen, ich gehe aber hier nur auf die folgenden (bewährten) „Basics“ ein, die die o.g. Kriterien erfüllen:
Übung | Spezifik und Funktion | Effizienz und Muskelgruppen |
Kniebeugen | -beansprucht die Muskelgruppen im Unterkörper, die beim Radfahren von Bedeutung sind-Beinstreckung und Hüftbeugung ähneln der Bewegung auf dem Fahrrad (aber mit größerer ROM)
|
-beansprucht zahlreiche Muskelgruppen dynamisch und statisch:
|
Kreuzheben | -beansprucht die Muskelgruppen im Unterkörper, die beim Radfahren von Bedeutung sind-Beinstreckung ähnelt der Bewegung und der ROM auf dem Fahrrad-zusätzlich: mehr Hüftstreckung als auf dem Fahrrad und Involvierung des unteren Rückens
|
-beansprucht zahlreiche Muskelgruppen dynamisch und statisch:
|
Bankdrücken | -beansprucht die Muskelgruppen im Oberkörper, die beim Radfahren von Bedeutung sind-Die Übung ähnelt der Oberkörper-Haltung auf dem Fahrrad
|
-beansprucht zahlreiche Muskelgruppen dynamisch und statisch:
|
Überkopfdrückenim Stehen | -beansprucht die Muskelgruppen im Oberkörper, die beim Radfahren von Bedeutung sind-weniger Einbezug der Brustmuskulatur (als beim Bankdrücken)→ Vorbeugung weiterer muskulärer Ungleichgewichte
|
-beansprucht zahlreiche Muskelgruppen dynamisch und statisch:
|
Kurzhantel Rudernim Stehen (einarmig) | -beansprucht die Muskelgruppen im Oberkörper, die beim Radfahren von Bedeutung sind-v.a. Bei Sprints oder am Berg, wenn der Athlet sich auf dem Fahrrad regelrecht „nach vorne zieht“
|
-beansprucht zahlreiche Muskelgruppen dynamisch und statisch:
|
Facepulls(Hintere Schulter ) | –Zweck: s. Rudern | -beansprucht v.a.:
|
Planks(Unterarmstütz) | -beansprucht die Muskelgruppen, die für Mehr Stabilität auf dem Fahrrad sorgen | -beansprucht v.a.:
|
2.) Das Volumen
Das Volumen eines Satzes ergibt sich aus: Anzahl der ausgeführten Wdh. x Gewicht.
Wenn ein Athlet z.B. 10Wdh. Mit 80kg ausführt, so entspricht dies einem Satzvolumen von 800kg (Tonnage). Macht er dies über 3 Sätze, so läge das Volumen bei dieser Übung bei 2400kg.
Für die oben genannten Übungen bieten sich unterschiedliche Satz- und Wiederholungszahlen an.
-Kniebeuge:
Da das Ziel darin besteht, mehr Kraft auf die Pedale zu bringen, sollten Kniebeugen auch relativ schwer ausgeführt werden. Sätze mit 5Wdh. Haben sich dabei bewährt. Denn hier ist das Gewicht zwar schwer, aber nicht zu schwer, da dies eine sehr gute und sichere Technik erfordert und, falls diese noch nicht sitzt, das Risiko für Verletzungen steigen kann.
5er Wiederholungen sind gut geeignet, um nach und nach mehr und mehr Gewicht auf die Hantel aufladen zu können und stellen zudem eine gute Mischung dar, um Kraftzuwächse überwiegend durch Neuronale aber auch durch Hypertrophe Anpassungen im Körper zu erreichen.
-Bankdrücken, Überkopfdrücken und Rudern:
Hier sind insgesamt weniger und kleinere Muskelgruppen involviert. Da im Oberkörper das Ziel Hypertrophie leicht über dem der Kraftzuwächse überwiegt (auch wenn beide erzielt werden), sind die Wiederholungszahlen hier dementsprechend etwas höher.
Zusätzlicher Vorteil von Überkopfdrücken und Kurzhantel Rudern im Stehen: die gesamte Rumpfmuskulatur ist gefordert, um den Athlet während der Übung zu stabilisieren.
-Kreuzheben:
Dies ist die wohl erschöpfendste Übung von allen. Hier werden die meisten Muskeln aktiviert und die Erfahrung zeigt, dass hier am meisten Regeneration benötigt wird. Das Ziel ist das Selbe wie bei den Kniebeugen, zusätzlich wird hier jedoch die hintere Muskelkette und verstärkt auch der gesamte Rücken trainiert. Auf Grund der hohen Belastung ist das Volumen deshalb etwas geringer (2 Sätze a 6Wdh. anstatt 3×5), um eine optimale Regeneration zu ermöglichen.
-Facepulls:
Diese Übung zielt rein auf Hypertrophie ab, Kraftzuwächse stehen hinten an. Derartige „kleine“ Übungen (sog. Isolationsübungen), bei denen sehr wenige Muskeln und meist nur ein Gelenk in der Bewegung involviert sind, bieten sich eher weniger für sehr schwere Gewichte an. Die Belastung im Gelenk ist dabei zu hoch und der Muskel bekommt insgesamt zu wenig Arbeit.
Deshalb sind die Wiederholungszahlen hier höher angesetzt und liegen bei 12-15, um die hintere Schulter und den oberen Rücken mit mehr Volumen zu bearbeiten. So können nicht nur die Gegenspieler (Antagonisten) der Drückbewegungen (Agonisten) trainiert werden, sondern auch der suboptimalen Körperhaltung auf dem Fahrrad entgegengewirkt werden (s. dazu Punkt 1 in Teil 2).
Alle Übungen bewegen sich dabei im Bereich von 2-3 Sätzen, da sich diese als effektiver als ein 1-Satz-Training erwiesen haben.123
3.) Die Frequenz
Die Trainingshäufigkeit pro Woche ist davon abhängig, wie das Radtraining im Einzelfall aussieht.
Handelt es sich um einen Wettkampfathleten, so stellt in der Offseason ein Krafttraining 2x pro Woche einen guten Start dar. Ein Krafttraining 1x pro Woche ist zwar besser als keines, Erfolge werden dadurch aber nur sehr spärlich und in langen Zeitabschnitten erfolgen.4
Ein 3x pro Woche ausgeführtes Krafttraining ist hingegen in den meisten Fällen vermutlich zu viel des Guten (neben dem Radtraining) und es bleibt zu wenig Zeit für die Regeneration – das Radtraining würde darunter leiden.
In der Wettkampfsaison sollte das Krafttraining zurückgefahren werden. Um die neuen Kraft- und Muskelzuwächse zu erhalten braucht es aber auch wesentlich weniger Aufwand als diese überhaupt erst aufzubauen. Ein Krafttraining 1x pro Woche (evtl. eine 2. leichte Einheit) reicht in der Regel aus, um die antrainierten Zuwächse auf dem selben Level konstant zu halten, ohne, dass das Radtraining darunter leidet.
Für einen Hobby-Athleten sind die Regeln da etwas weniger strikt. Hier kann im Prinzip mit den selben Grundlagen begonnen und von da an experimentiert werden, ob die Trainingshäufigkeit pro Woche von 2x auf 3x gesteigert werden kann, ohne, dass die Regeneration zu kurz kommt.
4.) Die Intensität
Intensität ist theoretisch definiert als ein Wert in % des Maximalgewichts. Bsp.: 80% Intensität bei einem Maximalwert (1RM) von 100kg entsprechen 80kg.
Für den Einstieg sollte die Intensität so gewählt werden, dass die beschriebenen Wiederholungszahlen in jedem Satz relativ problemlos absolviert werden können, genaue Prozentwerte sind vorerst weniger wichtig. Ist jemand komplett neu im Krafttraining, so sollten die ersten Wochen mit viel Techniktraining verbracht werden, das Gewicht ist zunächst zweitrangig. Je besser die Technik erlernt wird, desto mehr Steigerungsmöglichkeiten wird es im weiteren Verlauf allerdings geben.
Für diejenigen, die schon Erfahrung im Kraftsport haben, gelten die gleichen Prinzipien. Auch hier sollten die Gewichte zunächst eher konservativ gewählt werden. Würde man zu früh zu schwer einsteigen, dann bleibt in den nächsten Wochen nur wenig Zeit für Progression (Punkt 5), einer der wichtigsten Faktoren für ein erfolgreiches Training!
Beispiel: Athlet X startet Woche 1 mit 50kg in der Kniebeuge für 3 Sätze a 5Wdh. (3×5). Das Gewicht war schon ziemlich schwer, er hätte in jedem Satz vielleicht noch 1, maximal 2 Wdh. mehr schaffen können.
In Woche 2 legt er 52,5kg auf, wieder relativ schwer. Woche 3 versucht er sich an 55kg, hier waren die 3×5 am Limit. In Woche 4 versucht er sich an 57,5kg, scheitert aber.
Folge: Der Körper kommt nicht mit der Belastung mit und hat zu wenig Zeit, um zu adaptieren. Hätte der Athlet mit 45kg begonnen, so hätte der Körper mehr Zeit gehabt, um sich der Belastung anzupassen und neuronal/muskulär Fortschritte zu erzielen. Der Athlet könnte sich bspw. bis in Woche 6 steigern, in der er dann mehr Gewicht bewältigt als vorher, bei der er in Woche 4 an 57,5kg gescheitert ist.
5.) Die Progression
Auch genannt „progressive Overload“, bedeutet, dass die Belastung nach und nach erhöht werden muss, um weitere Anpassungen im Körper zu erzeugen. Würde man wochenlang das selbe Gewicht, für die selbe Anzahl an Wiederholungen und Sätze bewegen, stellt diese Belastung irgendwann keinen neuen Reiz mehr für den Trainierenden dar und die Leistung verbessert sich auch nicht mehr. Wie auch im Radsport versucht wird, mehr km zu fahren oder eine bestimmte Strecke in kürzerer Zeit zu absolvieren, so gilt das gleiche Prinzip auch im Krafttraining.
Folglich sollte anfangs versucht werden, jede Trainingseinheit das Gewicht zu erhöhen. Startet man relativ leicht, so wird dies kein Problem sein. Sollte man irgendwann an seine Grenzen kommen, so kann die Steigerung nicht mehr jede Traininseinheit, aber jede 2. Einheit angestrebt werden.
Es gilt also, dass mit der Zeit immer mehr Arbeit in irgendeiner Form geleistet werden muss, um weitere Erfolge zu erzielen. Dabei muss dies nicht zwangsläufig über das Gewicht geschehen. Auch eine Steigerung der Wiederholungszahlen beispielsweise (bei gleichbleibendem Gewicht) wäre ein Fortschritt.
Da wir mit den Wiederholungszahlen aber bestimmte Ziele anstreben, sollte die Steigerung des Gewichts vorerst im Vordergrund stehen.
6.) Die Erholungsphase
Der letzte Teil eines erfolgreichen Trainingsplans: Die Erholungsphase.
Über die Wochen wird das Training immer intensiver und die Erschöpfung des Athleten steigt. Da sich Erschöpfung über Tage und Wochen anhäuft und häufig nicht von Training zu Training auf das Ausgangsniveau sinkt, muss dieses Erschöpfungslevel irgendwann wieder heruntergebracht werden. Gerade das hohe Volumen des Radtrainings (oft mehrere Std. pro Woche) führt dazu, dass – mit dem nun zusätzlichen Krafttraining – die Belastung auf den Athleten sehr hoch ist. Wird nichts dagegen unternommen, so kann es zu Leistungsabfall, Motivationsverlust und in Extremfällen auch zum Übertraining kommen (wenn auch sehr, sehr selten).567
Diesem Effekt wird durch einen sogenannten „Deload“ entgegengewirkt. Dieser dient dazu, das Erschöpfungslevel zu senken, sodass sich der Körper anpassen und eine Leistungsverbesserung eintreten kann. Denn die Ruhephasen sind es, in denen Fortschritt geschieht, Training an sich stellt zunächst erst einmal einen Stressfaktor dar.
Diese leichtere Periode (üblicherweise 1 Woche) ist geringer im Volumen als auch in der Intensität. Ein guter Wert ist hier, das Volumen auf ca. 50% (das heißt, man macht jede Übung nur für 1 oder 2 anstelle von 3 Sätzen) und die Intensität auf ca. 70-80% (bspw. von 100kg auf 70-80kg) der vorherigen Trainingseinheit zu senken. Auf diese Weise kann sich der Athlet erholen, ohne, dass die gewonnenen Kraft-und Muskelzuwächse Einbußen erfahren.
Das Finale: Der Trainingsplan
Da nun die wichtigsten Trainingsparameter für ein erfolgreiches Krafttraining geklärt sind, können wir alle Teile zu einem erfolgreichen Krafttrainingsplan für Radsportler zusammensetzen.
Wie schon erwähnt handelt es sich dabei um ein „Cookie Cutter Program“, sprich, es ist nicht individuell auf jeden Einzelnen zugeschnitten. Es können demzufolge nicht alle Faktoren berücksichtigt werden (bspw. Anatomische Besonderheiten, Alltagsfaktoren, Ernährung, Radtrainingsumfang usw.).
Dennoch stellt dieser Plan eine sehr gute Grundlage für Jedermann dar!
1.) Der Plan
Beispiel 2 Tage pro Woche
Tag A
|
Tag B
|
Wie zu erkennen ist, hat der Plan 2 minimal veränderte Tage.
Einheit A und B wechseln dabei gleichmäßig ab. Zwischen den Einheiten sollten optimalerweise 2-3 Tage, mindestens aber 1 Tag (Krafttrainings-) Pause liegen.
Möchte eine Person 3x pro Woche trainieren, so wären folgende Modifikationen möglich:
Beispiel 3 Tage pro Woche
Tag A
|
Tag B (leicht)
|
Tag C
|
*Pausierte(s) Kniebeugen/Bankdrücken: Die Hantel wird in der tiefsten Position/auf der Brust unter Spannung für ~3sek. gehalten, anschließend erfolgt die Aufwärtsbewegung wie gewohnt
2.) Die Progression
Das Ziel für den Anfang ist es, sich jede Einheit zu steigern. Die Steigerung (in kg) sollte dabei so klein wie nur möglich erfolgen, um eine langfristige Progression zu ermöglichen:
-Kniebeugen und Kreuzheben: jede Einheit max. +2,5kg (ohne, dass die Technik leidet!)
-Bankdrücken, ÜK Drücken, Rudern: mit so wenig Gewicht wie nur möglich steigern (hat das Studio bspw. 0,5kg Scheiben → in 1kg Schritten steigern – auf jeden Fall sollte die geringste Aufstufung gewählt werden, da bei Oberkörperübungen weniger Muskeln involviert sind und eine Steigerung daher länger dauert als im Unterkörper)
Kann man sich nicht mehr jede Einheit steigern, erfolgt zunächst ein sog. „Setback“ (s. Anmerkungen unten), bei erneuter Stagnation versucht man dann, jede 2. Einheit zu steigern.
3.) Der Deload
Aus Erfahrung hat sich gezeigt, dass eine Deloadwoche alle 4-5 Wochen Sinn macht. Man trainiert also 3-4 Wochen am Stück und versucht sich dabei jede Woche zu steigern. Woche 4 oder Woche 5 stellt dann eine leichte Woche dar, um dem Körper die nötigen Anpassungsprozesse zu erlauben.
Das Volumen wird auf ca. 50% gesenkt (1 oder 2, statt 3 Sätze) , die Intensität auf ca. 70-80% des verwendeten Gewichts in der letzten Einheit (bspw. Von 3×5 mit 100kg auf 1-2×5 mit 75kg)
4.) Die Übungsausführung
Da kein persönliches Coaching möglich ist, sind Videos die zweitbeste Alternative, um Übungen zu erklären. Deshalb werde ich im Folgenden eben solche zu jeder Übung verlinken. Es gibt zu viele Punkte, die beachtet werden sollten, die ich hier aber nur sehr unübersichtlich darstellen könnte. Deshalb werden nur die wichtigsten Punkte aufgeführt.
Kniebeugen: https://www.youtube.com/watch?v=eGoZD1kDBIo
#1 Die Schulterblätter werden zusammengezogen, die Langhantel liegt auf dem Nackenmuskel/der hinteren Schultermuskulatur auf
#2 Standweite etwas weiter als schulterbreit, die Füße leicht nach außen gedreht (ca 30°)
#3 Der Rücken bleibt neutral – weder überstreckt, noch eingerundet
#4 Der Blick liegt auf einen Punkt 2-3m vorne auf dem Boden und verbleibt dort während der gesamten Bewegung
#5 Vor jeder Wiederholung: so tief wie möglich in den Bauch einatmen, die Luft wird während der Wiederholung gehalten (Stell‘ dir vor, jemand würde dir in den Bauch boxen: Genau so eine Spannung sollte vor jeder Wiederholung aufgebaut und auch die gesamte Bewegung über gehalten werden)
#6 Die Startbewegung: Die Knie werden nach außen gedrückt, die Hüfte wird nach hinten geschoben (als wolle man sich auf einen Stuhl setzen)
#7 Nun beugt man die Knie und setzt sich „zwischen die Beine“, die Knie zeigen dabei in die gleiche Richtung wie die Füße
#8 Die Kniebeuge sollte min. so tief erfolgen, bis die Oberseite des Oberschenkels parallel zum Boden ist (solange eine gute Technik beibehalten wird)
#9 Die Aufwärtsbewegung: Man steht auf und streckt dabei gleichzeitig Knie und Hüfte (d.h. kein Vorkippen des Oberkörpers)
#10 Die Belastung sollte auf dem Mittelfuß liegen (nicht auf den Zehenspitzen)
Kreuzheben: https://www.youtube.com/watch?v=eUhawFmUXZ0
#1 Man steht ca. so weit vor der Langhantel, dass die Hantel über der Mitte des Fußes liegt (Hüftbreiter Stand)
#2 Man beugt sich nach unten und greift die Hantel (ohne diese dabei nach vorne/hinten zu rollen)
#3 Man beugt nun die Knie so weit, bis die Schienbeine die Hantel berühren
#4 Punkte 3-5 der Kniebeugeanleitung
#5 man streckt die Knie und schiebt gleichzeitig die Hüfte nach vorne – die Hantel bleibt dabei die ganze Bewegung über am Körper
#6 Die Belastung sollte auf dem Mittelfuß liegen (nicht auf den Zehenspitzen)
Bankdrücken: https://www.youtube.com/watch?v=ekxf915VEdM
#1 Auf der Bank liegend werden die Schultern nach hinten und unten zusammengezogen
#2 Die Füße werden aktiv in den Boden gedrückt, um für mehr Spannung im gesamten Körper zu sorgen
#3 dadurch entsteht ein leichtes Hohlkreuz, das ist okay!
#4 die Griffweite beträgt ca. 1,5x Schulterbreite
#5 siehe Punkt 5 Kniebeugen/Kreuzheben
#6 Die Unterarme sind vertikal zum Boden und in einer Linie mit den Handgelenken
#7 Die Abwärtsbewegung: Die Ellbogen werden leicht nach innen rotiert, die Hantel wird bis auf die Brust geführt
#8 kurze Pause auf der Brust (unter Spannung), die LH anschließend bis zur Streckung der Ellbogen nach oben drücken
Schulterdrücken: https://www.youtube.com/watch?v=WrZz8DiRB0I
#1 Die Hantel knapp außerhalb der Schultern greifen
#2 Die Ellbogen sind vertikal zum Boden und in einer Linie mit den Handgelenken
#3 Die Hantel liegt auf der vorderen Schultermuskulatur auf (Nicht auf der Brust, das wäre zu tief)
#3 Der Po wird aktiv angespannt (um ein starkes Hohlkreuz zu vermeiden)
#4 Die Aufwärtsbewegung: Der Kopf geht leicht nach hinten, damit die Hantel in einer Linie nach oben gedrückt werden kann
#5 Sobald die Hantel am Kopf vorbei ist, wird der Kopf nach vorne geschoben (Als wolle man ein Fenster hochschieben und den Kopf vorne rausstrecken)
#6 Die Hantel wird wieder bis zur Schulter heruntergelassen (während die Ellbogen vertikal gehalten werden)
KH Rudern: https://www.youtube.com/watch?v=B02jyCttzLI
#1 Wird mit dem rechten Arm gerudert, so greift man mit links einen Gegenstand auf Höhe ~mittig des Obeschenkels
#2 Der linke Fuß ist vorne, der rechte nach hinten gestellt
#3 Die Kurzhantel wird nach hinten/oben gezogen, in Richtung Bauchnabel
#4 Die Handstellung ist dabei neutral, d.h. Die Handfläche der rechten Hand zeigt nach links
#5 Darauf konzentrieren, das Schulterblatt nach hinten/unten zu ziehen
#6 Der Oberarm wird relativ nah am Körper geführt
LH Rudern: https://www.youtube.com/watch?v=pefFiNNExJY
#1 Der Griff entspricht ca. der Griffweite des Bankdrückens
#2 Die Knie sind leicht gebeugt
#3 Der Oberkörper wird (wie immer unter Rumpfspannung) nach vorne gebeugt, bis der Oberkörper 45-90° zum Boden erreicht
#4 Die Langhantel wird nun nach hinten/oben gezogen, in Richtung Bauchnabel
#5 Darauf achten, dass das Schulterblatt nach hinten/unten gezogen wird
#6 Der Oberarm wird relativ nah am Körper geführt
Facepulls: https://www.youtube.com/watch?v=HSoHeSjvIdY
Planks: https://www.youtube.com/watch?v=VtBGjUpUQj4
Anmerkungen:
–Keine 0,5kg Scheiben vorhanden:
Sind nur 2,5kg Steigerungen möglich sind (1,25kg Scheibe pro Seite), kann das bei Oberkörper-Übungen schnell zur Stagnation führen. Hier kann als Alternative so vorgegangen werden, dass die Wiederholungen mit gleichbleibendem Gewicht zuerst von 3×8 auf 3×10 gesteigert werden, anschließend folgt erst eine Erhöhung des Gewichts und man versucht nun das neue (um 2,5kg schwerere) Gewicht für 3×8 zu bewältigen.
Beispiel:
Einheit 1: Bankdrücken, 20kg 3×8, Einheit 2: Bankdrücken, 20kg 3×10, Einheit 3: Bankdrücken, 22,5kg 3×8, usw…
–Stagnation:
Kann sich der Trainierende irgendwann nicht mehr jede Einheit steigern, kann ein sog. „Setback“ helfen. Hierbei reduziert man das zuletzt für alle geforderten Wiederholungen geschaffte Gewicht auf ca. 80% und arbeitet sich erneut nach oben.
Beispiel:
Woche 10: 70kg 3×5; Woche 11: 72,5kg x5, x4, x4; Woche 12 (ein weiterer, möglicher Versuch): 72,5kg x 5, x4, x 3 → SETBACK! ;Woche 13: 55kg (80% von 70kg): 3×5 ; usw…
–Mentale Einstellung:
Radfahrer sind häufig sehr belastungstolerant. Folglich kann es im Krafttraining „gefährlich“ sein, dass diese Athleten dazu neigen, wesentlich mehr machen zu wollen. Das sollte allerdings NICHT getan werden! Auch wenn sich ein Satz mit 5Wdh. schwer anfühlt, liegt man danach nicht völlig erschöpft am Boden, wie es vielleicht nach einer 90minütigen Intervalleinheit auf dem Fahrrad der Fall ist. Die Belastungen auf den Körper sind durch ein Krafttraining eine völlig andere und dennoch sehr hoch. Deshalb: An den Plan halten!
Abschließende Worte:
Ich hoffe, ich konnte dem ein oder anderen einen etwas bessere Einblick in den Bereich des Krafttrainings geben!
Sollten Fragen bzgl. der Trainingsgestaltung, der Übungsausführung o.ä. bestehen, so könnt ihr mir jederzeit eine Email schicken und ich helfe gerne weiter: simon.wetzel@uni-bielefeld.de
Autor der Serie:
Als Gastautor der Serie konnten wir Simon Wetzel, Student der Sportwissenschaften an der Uni Bielefeld, lizensierter Fitnesstrainer und selbst aktiver Kraftsportler, gewinnen. Impressionen aus seinem Training unter instagram.com/saimen_trains/.
Detaillierte Artikel zum Thema Krafttraining auch auf seinem Blog wissenistkraft.de
Literaturhinweise:
- The Hybrid Athlete, 2015, Alex Viada
- Krafttraining, Praxis und Wissenschaft, 2006, Vladimir M. Zatsiorsky & William J. Kraemer
- Krafttraining im Radsport, 2010, A. Wagner, S. Mühlenhoff, D. Sandig
- The Science of Lifting, 2015, Greg Nuckols & Osmar Isuf
- Anatomie – Der 3D-Atlas des menschlichen Körpers, 2013, Thomas O. McCracken
Fußnoten:
Vielen Dank. Ein super Artikel zum Thema! Sehr anwendungsorientiert und detailliert was das Krafttraining angeht. Was mir noch fehlt sind praktische Informationen wie ich das Krafttraining und das Ausdauertraining dann in der Praxis kombiniere? D.h. wann mache ich was? Soweit ich weiß blockiert zumindestens ein intensives Ausdauertraining die Effekte des Krafttrainings. Deswegen macht es wohl wenig Sinn sich direkt nach dem Krafttraining oder am nächsten Tag auf das Rad zu setzen, oder?