Peter Hermann vom Team MTBvD/POISON-BIKES siegt in der Herrenklasse bei der Salzkammergut Trophy nach einer Fahrzeit von 11 Stunden und 43 Minuten. Im Interview schildert er uns die speziellen Anforderungen der 211 Kilometer langen Extremstrecke, stellt sein Material vor und gibt einen Einblick in seine Vorbereitung.
Die Extremstrecke:
211 Kilometer Streckenlänge, über 7.000 Höhenmeter bergauf, Startzeit 5:00 Uhr, mehr als 11 Stunden im Sattel, auch für Leistungssportler unfahrbare Anstiege. Das sind die Eckdaten eines Rennens der Extreme. Die Salzkammergut Trophy in Bad Goisern, das größte Mountainbike-Rennen Österreichs, gilt nicht umsonst als einer der härtesten MTB-Marathons Europas.
Peter, Glückwunsch zum Sieg! Eine unfassbare Leistung! Was war deine Strategie?
Vielen Dank! Zusammen mit dem Erreichen des Titels als NRW-Landesmeister im Marathon im letzten Jahr war dies definitiv mein größter Erfolg.
Bei meiner letzten Teilnahme bei der Salzkammergut Trophy im Jahr 2010 hat mein Körper auf den letzten 50km einfach schlapp gemacht aber diese Erfahrung war dieses Jahr sehr hilfreich. Ich weiß nun: Das Rennen wird am Ende gewonnen. Somit bin ich dieses Jahr in den ersten acht Stunden bergauf unterhalb meiner Schwelle (s. Anmerkung unten) gefahren, habe im Flachen noch weniger Druck gemacht und mich bergab mit lockerem Tritt versucht zu erholen. Die ersten drei Stunden dachte ich, mit dieser Taktik sei ich zu langsam unterwegs. Doch schon bald mussten einige Kontrahenten ihrem hohen Anfangstempo Tribut zollen und ich überholte einen nach dem Anderen.
Nach 150km stellte sich mir ein Anstieg entgegen, wie ich keinen anderen kenne. Es galt 500 Höhenmeter auf weniger als drei Kilometern zu bewältigen. Am Ende war es so steil, dass ich im Beton nach Kerben suchte, um mit meinen Schuhen Halt finden zu können. Am Ende des Anstieges rief mir aber ein Zuschauer zu, dass ich auf Platz 1 lag und mit dieser Motivation konnte ich auch die letzten Kilometer bewältigen.
Dein Plan scheint aufgegangen zu sein. Das hört sich nach einem perfekten Rennen an?
Natürlich lief nicht alles perfekt. Das Wetter in den Alpen ist nicht planbar und bei Kilometer 170 setzte Regen ein. Meine Regensachen hatte ich jedoch bei Kilometer 40 und 110 bereit gelegt. Die Nässe und Kälte wird auf den langen Alpenabfahrten zum Problem. Ein Teamkollege von mir musste sein Rennen sogar deswegen aufgeben.
Wie verpflegst du dich während den 11 Stunden harter Belastung?
Am Tag vor einem Rennen esse ich keine Fleisch, Milch oder andere Nahrungsmittel die schwer verdaulich sind. Ab dem Vorabend eines Rennens habe ich meine Nahrungsaufnahme standardisiert und halte mich an meinen Plan mit kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln.
Im Rennen nehme ich die Kohlenhydrate über mein selbst gemixtes und isotonisches Sportgetränk auf.
Ausreichend Trinkflaschen verteile ich dann am Vortag neben der Strecke, sodass ich nicht auf die Verpflegungsstationen angewiesen bin. Falls doch mal eine Trinkflasche verloren geht, habe ich zur Reserve noch zwei Powerbar Power Gels dabei.
Die Belastungen des Rennens sind bestimmt unvergleichbar. Wie bereitet man sich darauf vor?
Die Anforderungen eines 211km langen Rennens sind nicht anders als bei einem „nur“ 100km langen Marathon. Die längsten Trainingseinheiten auf meinen Trainingsplan sind fünf Stunden lang. In Wochen ohne Rennen fahre ich Freitag, Samstag und Sonntag über vier Stunden. Drei fordernde Trainingseinheiten hintereinander sind zwar nicht optimal aber neben dem Beruf kann man sich das nicht immer aussuchen. Insgesamt summiert sich das dann auf rund 15.000 Kilometer jährlich.
Auf die Salzkammergut Trophy habe ich mich speziell mit kurzen Laufeinheiten in Radschuhen und Mountainbike in der Hand vorbereitet. Mehrere Anstiege können nicht fahrend bewältigt werden und ohne spezifisches Training bekommt man schnell Probleme mit Krämpfen in den Waden, aufgrund der Überbelastung.
Solche Passagen scheinen dir etwas unbekannt zu sein. Dein Trainingsrevier am nördlichen Ende von Nordrhein-Westfalen bietet dir wohl nicht solche Berge.
Mein Trainingsrevier liegt in der norddeutschen Tiefebene und bis zum nächsten „Berg“ fahre ich rund 30 Minuten mit dem Rad. Kontrahenten würden diese 200 Meter hohe Erhebung dann aber wohl eher als Hügel bezeichnen.
Die Belastungen der Salzkammergut Trophy mit Anstiegen, bei denen man deutlich mehr als 30 Minuten bergauf fährst, sind da teilweise etwas ungewohnt.
In den Abfahrten komme ich aber dennoch super klar. Früher bin ich deutlich mehr Cross Country Rennen gefahren. Das hilft mir jetzt sehr.
Die Salzkammergut Trophy bietet vor allem in der ersten Rennhälfte einige tolle Abfahrten. Bei zwei dieser Abfahrten bin ich dennoch lieber auf Nummer sicher gegangen und bin gelaufen.
Da mir die genauen Streckenkenntnisse fehlen und die Konzentration mit der Zeit sehr nachlässt wollte ich kein Risiko eingehen. Besonders gefährlich empfand ich die erste Abfahrt.
Zwar verlief sie über breite Schotterwege aber diese waren frisch geschottert und die Reifen hatten wenig Halt.
Diese Abfahrt schlängelte sich über unzählige Kurven direkt an einem tiefen Abhang entlang. Keinen Meter Auslaufzone bei über 40km/h Tempo, echt extrem!
Bestimmt ist dies nicht nur für den Fahrer eine hohe Belastung. Auf was für Material setzt du in einem solchen Rennen?
Seit längerer Zeit bin ich auf 29er-Rahmen unterwegs.
Seit dieser Saison fahre ich für das Team MTBvD/POISON-BIKES und bin auf einem Poison Graphite Carbon Hardtail unterwegs. Der Rahmen ist für ein 29er äußerst leicht und die Steifigkeit ist enorm.
Dazu kommen dann noch die bekannten Vorzüge der großen Räder. Sehr wichtig ist mir der Komfort. Man überrollt Hindernisse viel einfacher und die Traktion ist gegenüber 26“ Laufrädern eindeutig besser.
Das Mehrgewicht der Laufräder fällt mir ehrlich gesagt nicht auf.
An der Front arbeitet eine Rock Shox Reba Federgabel mit 100mm Federweg und zusammen mit meinem 685mm breiten Easton Flatbar Lenker ist das Bike sehr gut zu kontrollieren und wendig.
Hast du auch am Rad Änderungen für dieses Rennen vorgenommen?
Normalerweise fahre ich eine Kassette mit maximal 28 Zähnen, doch für die langen Anstiege habe ich eine 32er Kassette montiert. Meine Kurbel hat eine Abstufung von 28/38. Der leichte Tune Sattel oder der Umwerfer, der eigentlich für Rennräder gedacht ist, machen das Bike zusätzlich leichter.
In deinem Team kristallisiert sich ein neuer Spitzname für dich heraus: Peter-DAS TIER- Hermann. Schon im gemeinsamen Trainingslager Anfang des Jahres bist du trotz Schneefall immer noch einen Berg extra gefahren.
Wie sieht ein perfekter Tag für dich aus?
Für einen perfekten Tag brauche ich nicht viel: Trockenes Wetter, unbekannte Trails und gerne einen schnellen Begleiter im Rennen und im Training.
Wie es scheint wird es wohl schwer sein einen ausreichend schnellen Begleiter zu finden 😉
Vielen Dank an Peter Hermann für das Interview!
Bilder: sportograf.com
Anmerkungen:
Leistungsschwelle: Diese Schwelle wird von Peter anhand einer Wattmessung ermittelt und gibt eine spezifische Trittleistung an, die der Körper ohne zu große Energieverluste aufrecht erhalten kann. Oberhalb dieser Schwelle übersäuert die Muskulatur und die Belastung kann nur über einen bestimmten Zeitraum aufrecht erhalten werden.
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