Der Sportjournalist und Ausdauersport-Experte Matt Fitzgerald stellt in seinem neusten Werk nicht nur eine Kollektion mit mentalen Erfolgsgeschichten von Ausnahmeathelten vor, sondern gewährt auch Einblicke in deren Psychologie. In die Psychologie des Siegens. Denn: Siegen ist Kopfsache.
Wen juckt es nicht direkt in den Fingern, dieses Buch selbst lesen zu wollen? Ein Journalist lüftet das Erfolgsgeheimnis von Ausnahme-Athletinnen und -Athleten! Nicht erst seit den immer häufiger die Sportwelt erschütternden Doping-Skandalen tut es auch förmlich Not einmal darüber zu sprechen, pardon, zu schreiben, was vermeintlich in diesen Athletinnen und Athleten vorgeht. Nicht etwa zu solchen Methoden zu greifen. Es sollte jeder*jedem klar sein: Der Körper kann noch so gut trainiert sein – der Kopf entscheidet wie weit man letztendlich kommt.
Es soll hier also nicht (schon wieder) um Enthüllungsgeschichten von Dopingsünderinnen und -sündern gehen. Nein, das knapp 400 Seiten starke Werk, jüngst im Spomedis Verlag erschienen, entführt uns Leserschaft niveauvoll in die vielfältige Welt der Sportpsychologie. Anhand von zwölf ausgewählten Beispielen, aufgearbeitet in einzelnen Kapiteln stellt Fitzgerald unterschiedliche triumphale wie niederschmetternde Erlebnisse und Ereignisse aus der Welt des Ausdauersports vor. Ihnen allen gemein: Siegen ist Kopfsache.
Ein Blick ins Buch
Was einen hinter dem knallig roten Einband des Softcoverwerks erwatet, ist kein Standardnachschlagewerk oder reiner Theoriewälzer. Viel mehr ähnelt es einem Roman, vielleicht gar einem Thriller. Auch wenn verhältnismäßig viel Theorie in den 336 Seiten steckt, wird es dem Leser nicht langweilig. Klassisch mit Einleitung und zwölf Kapiteln aufgebaut und einem Quellenverzeichnis versehen, rollt das Werk seine Argumentationsstruktur geschickt und wortreich suksessive aus. Jedes Kapitel umfasst einen (Erkenntnis-) Schritt näher zur mentalen Stärke und gewährt Einblicke in tiefenpyschologische Abläufe von Topathletinnen und -athleten.
Körperliche Fitness ist ohne mentale Stärke nichts
Wie in der Sportwissenschaft fast üblich, wird auch hier mit einigen Mythen aufgeräumt. Einer ist aber eher persönlicher Natur der vielen Trainingsweltmeister dieser Welt. Und die müssen nun ganz stark sein. Denn: alle doppelte und dreifache Plackerei bringt im Endeffekt nichts, wenn der wichtigste Part im Körper nicht trainiert wird – nämlich der Kopf. Was eine Binsenweisheit sein mag, geht an den emsigen, vielleicht auch belehrungsresistenten Trainingsbienchen gerne vorbei.
Worest case – und nun? Was, wenn das körperliche Limit erreicht, aber das Ziel noch weit entfernt ist? Von Zweifeln, Versagensängsten und physischem und psychischem Leid geplagt, scheitert jede*r, wenn der Kopf nicht mehr will.
„Das Talent, in einer Sportart gut oder erfolgreich zu sein, besteht nicht alleine aus hartem, physischem Training. Deine Fitness bringt dich nur bis zu einem bestimmten Punkt. Den Punkt, an dem dein Körper biologisch einfach nicht mehr kann. Aber der Kopf entscheidet, ob und wie du die Ziellinie erreichst – und nur er führt dich über diesen Punkt des körperlichen Einbruchs hinaus.“ schreibt Fitzgerald in seinem Werk.
Praxis makes perfect!
Was sich wie ein Mantra liest, geht im Werk noch weiter und tiefer. Dass wir uns viel zu wenig aus der Komfortzone bewegen und deshalb im Kopf nicht mit Stress und Ausnahmesituationen umgehen lernen, ist nach Fitzgerald das Hauptproblem. Im entscheidenden Augenblick, dann wenn alle Stricke und Backups scheitern, muss alles wie immer funktionieren. Jeder wird unterschreiben können, dass das leichter gesagt als getan ist. Denn Hand aufs Herz: wer hatte nicht schon einmal einen gepflegten Hungerast, hat sich grau bis blau gefahren und musste den Stecker ziehen? Wer sah die Straße wie eine steile Wand vor sich aufragen, wurde von einer Windkante sprichwörtlich umgepustet oder wurde von den „unfitteren“ Kollegen beim Ortsschildsprint stehen gelassen? Und, habt ihr aufgegeben? Natürlich nicht!
Die Bewältigung der Stresssituation beginnt mit der Konfrontation. Sie ist die einzige strategische Reaktion.
So definiert die Sportpsychologie mentales Training. Oder:
Training wie Wettkampf sind per definitionem Unwohlsein und Stress für den Körper, physisch wie psychisch. Mentales Training erfordert, 1. die Herausforderung anzunehmen, 2. sie zu analysieren und 3. zu üben (Training), um sie 4. erneut zu analysieren und 5. die Herausforderung erneut auf sich zu nehmen.
Siegen ist Kopfsache – play your mind new tricks
Im Ausdauersport ist es wie bei allem: nur wenn man übt und lernt mit dem Stress und dem Unwohlsein in einer Situation umzugehen und lernt, wie man diese meistert, wird man im entscheidenden Augenblick nicht einbrechen, sondern die Chance erkennen, die sich ihr*ihm bietet. Wer immer nur bis kurz vor den Einbruch trainiert oder bei den erstbesten Zweifeln einknickt, verpasst die Chance, in sich mental zu wachsen. Das heisst natürlich nicht, dass wer keinen Einbruch erleidet, nicht wachsen kann. Aber: man muss auch scheitern können, um zu wachsen.
Man kann als Ausdauersportler nur besser werden, wenn man seine Beziehung zur Anstrengungswahrnehmung ändert.
Ach, und ist es nicht heilsam, dass auch Champions Kopfmimikry haben können? Was Matt Fitzgerald in seinem Werk anhand der von ihm (gut) gewählten Beispielen schildert, rückt vermeitliches „Scheitern“ wieder ins rechte Licht. Denn auch Champions sind nur aus Blut und Wasser und leiden vor allem genauso wie jede*r andere auch. Wie heisst das Sprichwort noch: „Er hatte alles trainiert, nur nicht die Niederlage.“
Also weg mit den Heldenmythen und Glorifizierungen! Davon sollte man sich schnell befreien, auch wenn es natürlich das eigene Ego extrem bürstet, in etwas „besser als XY“ gewesen zu sein. Entscheidend ist aber doch eben einzig und allein, wie weit der eigene Kopf einen bringt, bringen kann, egal wie negativ die Prognosen oder eigenen Konditionen sind. Die Wahrnehmung und Akzeptanz der Sitaution und die Überzeung und der Will die Situation zu meistern, sind die Instrumente, mit denen die Athletin*der Athleten prinzipiell alles besiegen kann. Und das muss erlernt, geübt und trainiert werden.
Fazit: Theorie hat noch keinem geschadet!
Genug des Sprücheklopfens! Zugegeben, so unbebildert und theorielastig die knapp 340 Seiten auch sind, sie strotzen dafür nur so vor Anregungen und Hilfestellungen. Man muss sich zwar durch die manchmal unendlich anmutenden Zeilen an Text fräsen, sie mehrfach lesen und ihren Kern genau zu erfassen. Dafür wird man aber auch belohnt. Mit seinem Wortreichtum gelingt es dem Autor uns Leser spielend in den Bann einer Geschichte zu ziehen und nervenaufreibende Momente großen Sports vor das innere Auge zu zaubern.
Der Autor Matt Fitzgerald ist selbst kein Unbekannter auf dem Gebiet der extreme Ausdauererfahrungen. Er spart nicht aus über seine Vergangenheit zu berichten. In elf weiteren Erlebnisse und Geschichten aus vielen Ausdauersportarten, bringt er uns kapitelweise näher, was seiner Meinung nach das Prinzip für mental strength, also mentale Stärke in Ausdauersportarten ist. Die Darstellung der psychobiologischen Erkenntnisse ist simpel, wie komplex zugleich. Alle Einzelheiten, Hinweise und Anregungen rauszuziehen, würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Deshalb nur noch knapp die klare Ansage: lest das Werk selbst!
Nicht nur für positiv geschädigte Hobbyathleten
Ob Lieschen Müller oder ambitionierter, wie passionierter Hobbyathlet: Allen sei dieses Werk wärmstens empfohlen. Besonders ans Herz legen möchte ich dies Werk denjenigen unter euch, die mit Langdistanzen liebäugeln oder gar mit Motivationsproblemen nach Verletzungen oder Krankheitspausen kämpfen. Theoretisch sich einen Überblick von etwas zu verschaffen, eigene Situationen neu zu durchdenken ist der Schlüssel zum Erfolg und zur mentalen Stärke. Denn wie immer gilt: Bildung hat noch keinem geschadet. Außerdem kann man bei dem Schmuddelwetter auch im Sommer einen Regenerationsabend zum Leseabend werden lassen 😉
Viel Vergnügen beim Lesen! Ihr werdet überrascht sein.
Wir danken dem Spomedis Verlag Hamburg herzlich für die umfassende Unterstützung (Rezensionsexemplar und Pressematerial).
SIEGEN IST KOPFSACHE
Die mentalen Erfolgsstrategien der Ausnahme-Athleten
Matt Fitzgerald
Matt Fitzgerald ist ein renommierter Ausdauersport-Experte. Selbst einmal Ultradistanzläufer gewesen, veröffentlichte der Sportjournalist in den letzten Jahren mehrere Bücher und schreibt regelmäßig für Men’s Health, Men’s Fitness, Outside, Runner’s World, Bicycling, Running Times, Women’s Running sowie für andere Sportmedien. Er lebt und trainiert in Kalifornien, USA.