Am ersten Juniwochenende reisten wir auf eine Einladung der TORTOUR Cyclocross mit einem Zweier Team in die Schweiz, genauer gesagt zum Campus Sursee. Ziel war die Weltpremiere der TORTOUR Cyclocross erstmals im Sommer. Ein Etappenrennen mit Prolog und zwei Etappentagen auf dem Gravel- oder Cyclocrossbike.
Unsere Protagonisten kamen von den IvelRide Racing Dudes. Die beiden, Arndt und Felix, fuhren unter dem Namen IvelRide p/b Rund ums Rad und starteten mit der Teamnummer 210.
Charakter der TORTOUR Cyclocross
Um eine Vorstellung von dem Event zu erhalten, wollen wir euch vor unserem Erfahrungsbericht erst ein Mal den Charakter der Veranstaltung vorstellen.
Es handelt sich um ein Etappenrennen, das mit einem Prolog in das Wochenende startet. Dabei werden 8 Runden zu je 2,1 km und 50 hm absolviert. Die Streckenführung ist für jedermann fair gestaltet und bietet mit ansteigenden Forststraßen, zügigen Wiesentrails und geringem Anteil an Teer einen schnellen Einstieg in die kommenden Tage.
Der zweite Tag erwartete alle Teilnehmer am Samstag bereits um 6:00 Uhr zum Start – für den einen oder anderen zwar viel zu zeitig – bietet diese Uhrzeit jedoch eine besondere Stimmung durch die aufgehende Sonne in der voralpinen Seenlandschaft. Diese Etappe hält mit 100 km und 2400 hm den längsten und anspruchsvollsten, dafür aber auch ereignisreichsten, Tag im Sattel bereit.
Der dritte Tag ist jedoch auch nicht zu verachten, denn dieser hat 68 km und dabei 1600 hm, die gefahren werden müssen. Während es am Samstag in den bergigeren Süden geht, werden bei dieser Etappe die Kilometer eher im „nur“ hügeligen Norden von Sursee erfahren.
Die TORTOUR Cyclocross ist wohl eher kein Rennen im klassischen Sinne. Hier wird zwar auch gekämpft und mit Watt um sich geschmissen, aber die gesamte Atmosphäre erinnert eher an eine knackige Ausfahrt mit Kumpels. Bei 100 Startern „kennt“ man am zweiten Tag quasi alle. Man weiß, wer ist auf einer Wellenlänge und wer fährt eher vorn weg. Die Veranstalter und Helfer sind ebenso Teil dieser Familie, wie die restlichen Rennfahrer. Mal unter uns, jeder weiß, dass Leute, die auf Schmallspurreifen durch das Gelände schießen sowieso anders denken und sicherlich im
Wesen generell entspannter, aber härter im Nehmen sind, als der „normale“ Rennsportler. Darüber lässt sich natürlich streiten und jeder sagt etwas anderes, aber warum wir so überzeugt davon sind, lest ihr im folgenden Abschnitt aus Felix‘ Sicht über das Rennen.
Die Renntage – ein Einblick in das Gravelracing
Durch meine relativ lange Anreise bis zu Arndt (ca. 650km) bin ich schon eine Weile unterwegs, hole noch im Bioladen in Friedrichshafen 2 sehr erfüllende Brote für die kommenden Frühstückssessions und stelle kurzerhand fest – Bremsbeläge hätte ich einpacken sollen. Nun, schnell beim Radladen vorbei, 2 x bitte, danke und los geht’s zum Campus Sursee in die Schweiz!
Die Anreise verläuft problemfrei und schon sind wir auf der Rennstrecke – mit dem Auto – aus Versehen – Entschuldigung dafür – und sofort aber auch auf dem Parkplatz vom Campus Sursee, dem Austragungsort der TORTOUR Cyclocross Summer Edition. An der Anmeldung erwarten uns, da wir in gewohnter Manier die letzten sind, schon die Damen (nach uns wird der Bereich auch schon abgebaut). Wir bereiten uns und die Räder vor und düsen so gleich auch schon zum Riders Briefing. „Aha. Okay. Lang, gut, aha, nur 2 Verpflegungen, hm. Muss ja. Also wirklich um 6 Uhr? Krass. Sonntag, denke ich doch jetzt noch nicht dran, aber ja (meine Gedanken währenddessen).“
Freitag – Prolog – 21 km & 400hm – und so beginnt es!
Anschließend sind noch ein paar Minuten bis zum Prologstart. Wir kullern uns mehr oder minder ein und stehen auch schon im Startblock. Es wird nach Wunsch von Simon Zahner (Vorjahressieger) Iron Maiden aufgelegt, das heizt mich durchaus an. Schon fällt der Startschuss. Sofort knallen alle wie verrückt los.
Die Runde führt zu Beginn stets bergauf, erst auf einem kurzen Stück Asphalt, dann Waldweg. Oben angekommen geht es selbigen bergab, bis zu einer scharfen 90º Kurve, danach entlang eines Feldes auf schmalem Pfad, schnelle S-Kurve, nochmals Feldpfad und eine weitere 90º Kurve. Sofort fahren wir einen kurzen aber knackigen Asphaltanstieg, der durch einen Busch und langgezogener Schotterkurve auch schon wieder zum Ziel führt.
Zielzeit = beschriebene Strecke x 8 x Normalisierte Leistung von 337W
So oder so ähnlich kann das mathematisch nun beschrieben werden. Aber auch so: wir starten im Pulk, Arndt elegant vorn weg wie eine Rakete, ich komme auch in Stimmung. Nach einer halben Runde bin ich dann endlich an Arndt dran und wir drücken bergauf, die Spitze stets im Blick. Es geht bergab, über den Feldweg und schon wieder durch das Ziel. Nur noch 7 Mal. Mein Herz scheint zu platzen und die Lunge zu kollabieren, aber Spaß habe ich dennoch. Die noch zu fahrenden Runden werden weniger und wir batteln uns mit zwei weiteren Fahrern. Kämpfen um jeden Meter. Es kommt zur letzten Runde, jetzt wird es spannend. Ich nehme bergauf ein bisschen raus und lasse sie arbeiten, nun schiebt sich Arndt nach vorn, es geht bergab, seine Stärke, ich bin jetzt an letzter Position der Gruppe und weiß, es gibt nur noch eine Stelle, an der es zu überholen gilt. Feldweg, scharfes S, Feldweg, 90º und Bam! Arndt dreht sich um, ich schnelle auch schon an den beiden Mitstreitern vorbei, wir gehen gemeinsam in die letzte lange Schotterkurve, übernehmen uns fast noch und setzen zum Sprint an. Sehr geil! That’s Racing!
p.s. wir finden erst jetzt heraus, dass sie Einzelstarter sind.
Im Zielbereich genießen wir die Atmosphäre und geniale Supplement Getränke von WinForce. Später stellen wir fest, dass wir Tagessieger in der Kategorie 2-er Team geworden sind. Tolle Überraschung, mit der wir zu unserer Unterkunft fahren. Jetzt heißt es, Essen, Beine hoch und schlafen, denn der Wecker klingelt…
Samstag – 1. Etappe TORTOUR Cyclocross – 100km & 2400hm – Start 6:00 Uhr morgens!
… auch schon.
Wir reden nicht, essen einfach nur. Schmeckt gut, ist noch dunkel. Worte fehlen. Sitzen im Auto, machen uns fertig, stehen am Start.
Es ist neblig, zumindest noch. Denn nach dem Start geht es ein Stück bergauf, dort wartet auch schon die strahlende Sonne – ein Fest für alle Sinne. Wir geben im Nachhinein zu, der frühe Start, der gelungene Morgen und die frühe Ankunftszeit haben etwas für sich! Aber wir starten gerade erst. Die ersten 35 Kilometer verlaufen vor allem stetig bergauf. Nahe des höchsten Punktes des Tages steht die erste Verpflegung – unsere Helden in TORTOUR Cyclocross Shirts – wir füllen die Flaschen, die Trikots und die Wangen wie Eichhörnchen und schieben uns das letzte Stück bergauf. Dort wartet sie, die schönste Aussicht überhaupt. Wir schauen über Seen und Hügel hinüber zu den Alpen. Ein so atemberaubendes Panorama genießt man nicht jeden Tag (außer man wohnt dort, duh!). Aber Achtung, it’s racing time!
Wir sind auf einer Alm an der eine Laufpassage aufwartet, kommen zu einer Stelle, an der sich der ein oder andere verfährt, aber im Nu sind wir auch wieder auf der richtigen Strecke und fahren weiter bergab, hier beginnt der Spaß. Der Downhill Boss (Arndt) ist lange alle Hügel runter geschossen, ich passiere nur ab und zu mal jemanden, denn wenn man zwar besser runter fährt, aber kein Vertrauen zum Überholen hat, lässt es sich auch nicht gewinnen. Ich schalte den Kopf wieder aus und weiß, dass ich Arndt an den Anstiegen einholen kann und fahre einfach in der Gruppe mit. Es folgt ein weiterer langer Anstieg von dem aus wir den Sempacher See bestaunen können und denken uns zugleich: „dort müssen wir noch rum?“ Wir haben jetzt 60 Kilometer der TORTOUR Cyclocross geschafft und sind bereits am Ende.
Nichtsdestotrotz müssen wir weiter, immer weiter.
Schließlich motivieren wir uns gegenseitig, ziehen uns, fahren im Windschatten, regenerieren und sind auf einmal wieder völlig dabei! „In 5 km kommt die Verpflegung“, rufe ich zu Arndt, „in 5,8“, knallt es mir entgegen. „Wow mein Freundchen, das hat noch ein Nachspiel“ und so jagen wir uns gegenseitig über die Strecke. Die Verpflegung kommt und wir sind heiß, Arndt nimmt sofort die Flaschen und füllt sie, ich besorge Gels. So schnell wie wir „alle“ waren, so schnell sind die Akkus wieder betriebsbereit. „Geil“, denke ich mir, merke, wie sich Arndt erholt hat und ich an der Grenze fahre, aber vorneweg, das Ziel kommt! Noch 10 km, 9, 8… noch 5 km und was haben wir denn da? Einen letzten fiesen Anstieg nur um dann nochmals runter zu fahren? Menno! Wir drücken, schieben uns voran, jetzt will jeder von uns dem anderen insgeheim zeigen, dass er der Stärkere ist. Nach 4 Stunden und 13 Minuten Rennzeit geben wir nochmals zwischen 330 und 350 Watt auf die Pedale und da passiert es, ich bin durch! Arndt zieht ab, den letzten Asphaltberg runter und Ziel!
Heute ist die Verpflegung im Ziel noch notwendiger, dank des herzlichen TORTOUR Cyclocross Team erhalten wir sofort Getränke, Bananen und Nudeln. Wir waschen unser Räder mithilfe von Motorex Produkten und genießen den noch sehr jungen Tag um 10:30 Uhr.
Sonntag – 2. Etappe TORTOUR Cyclocross – 68 km & 1600 hm – Kaputt!
Sonntag halt! Im Sommer stehst du nicht auf und fragst dich, was machst du heute, nein, du stehst auf weil du vom Wecker geküsst wurdest, isst ein nahrhaftes Frühstück und machst dich auf zur Startlinie des Rennens, welches ansteht. Dieses Wochenende die 2. Etappe der TORTOUR Cyclocross. Die Räder blitzen, die Menschen strahlen – wenn es doch immer so wäre!
Heute wird es nochmals anstrengend, denn das Profil ähnelt den Zacken eines Haifischgebisses. Knackig bergauf, schnell bergab und das im ständigen Wechsel, sowas zermürbt stark, aber es macht auch Spaß. Schnell finden wir uns nach dem Start in einer 6-er Gruppe wieder, die insgesamt ein ordentliches Tempo drauf hat. Zur heutigen Etappe geht es vermehrt über Waldwege, hoch zu versuche ich ein hohes Tempo zu bringen, runter zu versuche ich verzweifelt an Arndt dran zu bleiben, jedoch funktioniert diese Taktik sehr lange sehr gut. Wir wechseln ständig, dann führen mal wieder unsere Mitstreiter. Wir schlängeln uns durch die hügelige Landschaft und kommen schon bald an der ersten und einzigen Verpflegung des Tages auf halber Strecke an.
Jedoch fahren unsere Mitstreiter weiter – verdammt! Das haben wir so nicht geplant.
Also hektisch Flaschen füllen, Gels und Booster einstecken – für alle Fälle. Wir versuchen über die nächsten Kilometer alles, um wieder ranzukommen, aber die Jungs sind einfach zu stark. Wir finden zurück zu unserem Tempo und werden urplötzlich, vor dem längsten Anstieg des Tages, von einer großen Gruppe geschluckt. Ich reiße die Augen auf und denke: „Was? Wie? Wo kommen die her?“. Zugleich wissen wir aber auch, große Gruppe bedeutet auch Ausruhen. Wir gehen in einen steilen Trail bergauf rein, steigen schon bald im Matsch von den Rädern und schieben, tragen, bis wir wieder fahren können. Es geht voran und im nächsten Moment kommt ein Downhill, endlich wieder Spaß, wir schießen runter, Arndt irgendwo fernab. Wir kommen aus einem Trail raus und sofort geht es 90º links bergauf. Dickster Gang! Boa! Ich stöhne, das Rad auch und ohne Vorwarnung stehe ich still mit einem lautstarkem Knall unter mir. Die Kette!? Ehm, naja, nee, das Kettenblatt ist gerissen. Okay, besser als die Kette, glaube ich. Ich lege die Kette auf das kleine Kettenblatt und schon kommt Arndt wieder zurück. „Alles gut?“, fragt er. „Schau selbst“, erwidere ich und lache. Wieder die Gruppe verloren, also wieder los. Da springt mir die Kette nochmals ab, ich werde verrückt. Ich schieße noch so schnell und so lange wie möglich die anhaltende Asphaltabfahrt herunter und lege erneut die Kette auf.
Es sind noch 10 Kilometer der Weltpremiere TORTOUR Cyclocross Summer Edition und wir schenken uns nichts. So schnell die Beine drehen, kurbeln wir bergauf, bergab, geradeaus über Feldwege und schon stehen wir wieder vor dem letzten Anstieg, demselben, wie am Tag zuvor. „Heute ziehen wir durch, egal wer zuerst oben ist, kein Warten, einfach fahren, der Erste im Ziel zählt!“ – so unsere Absprache. Wir treten, schnaufen, ja, winseln fast. Ich kann mich langsam vorneweg schieben und halte den Abstand konstant bis zum höchsten Punkt, dachte ich, denn wie vom Teufel besessen leiert Arndt an mir vorbei und knallt in die Abfahrt. Nein! Heute nicht mein Freund, nicht mehr zum letzten Tag! Mit 120 Umdrehungen pro Minute drehe ich meine Kurbel und versuche noch mehr Geschwindigkeit aufzubauen. Schneller, eine Kurve, noch eine, lange Gerade, Schotterkurve, ich trete und trete, letzte Kurve, die ich nach innen hin zu mache, denn das hat Arndt nicht kommen sehen, ich bin vorbei, die lange Schotterkurve vom Prolog und Sprint! Finish!
Leider konnten wir unsere Platzierung nicht mehr verbessern und landen auf dem 4. Platz der 2-er Teamwertung. Schade, aber genial war es dennoch!