Magura steht 2014 unter Strom!
Mit Hilfe des intelligenten Elect Moduls, das anhand von elektronischen Sensoren die Gabel passend zur Fahrsituation öffnet oder schließt, soll die 100mm TS8 Federgabel die Cross-Country Strecken erobern. Unser Tester und XC Sportler Dominik hat bereits erste Test- und Rennkilometer mit ihr absolviert…
Es liegt auf der Hand. Auch der eigentlich mechanische Drahtesel wird nach und nach mit Elektronik versetzt. Die elektronische Rennradschaltung von Shimano zeigt mit Wartungsarmut und guter Funktion bereits wieso! Hier unser Testbericht:
Im Federungsbereich versuchen schon lange mehrere Hersteller mit mechanischen Systemen und Ventilen innerhalb der Gabel (Fox Terralogic, Specialized Brain) einerseits, dass ihre Federelemente bergab gute Performance abliefern und andererseits im Anstieg nicht wippen. In dieser Situation sollen sie starr keine Energie verschwenden.
Magura geht nun mit der Verwendung von elektronischen Beschleunigungs- und Neigungssensoren einen großen Schritt nach vorne. Das eLECT System registriert Neigungen (Up- oder Downhill?) und Stöße während der Fahrt, ein Stellmotor im inneren betätigt den Lockout und man ist automatisch im richtigen Modus. Möchte man doch selbst entscheiden, lässt sich die Gabel ganz einfach mit einem Druckknopf am Lenker, der komfortabel über Funk mit der Gabel verbunden ist, ansteuern. (Ein super Video des Systems von MAGURA findet ihr hier: http://elect.magura.com/de)
Die Testerfahrungen:
Natürlich suchte ich direkt zu Beginn der ersten Testrunde einen netten Trail, auf dem man es nicht nur bergab krachen lassen kann, sondern sich auch in feinster Cross-Country Manier an Gegenanstiegen quält. Die Erwartungen waren hoch, denn der Magura Beschreibung zufolge sollte ich im Downhill beste Performance genießen dürfen, bevor ich dann im nächsten Anstieg wie durch Zauberhand eine Starrgabel unter meinen Lenker spüre und im Wiegetritt 100% meiner Energie in Vortrieb umgesetzt wird.
Automatikmodus an und los auf die Teststrecke. Die ersten kleinen Wurzeln bügelte die Gabel mit Bravur glatt, auch bei einem kleinen Sprung fühlte ich mich sicher. Wie geplant gab mir die erste Kurve des Trails dann auch erste Auskünfte über Bremssteifigkeit und Spurtreue. Die Gabel meisterte die erste Abfahrt durchweg gut, nur die Sensibilität erschien mir nicht ganz auf dem Niveau einer Fox.
Richtigen Gang für den Anstieg wählen und ab gen Himmel. Ohne ein Geräusch und ohne jede kleinste Verzögerung war die Federgabel dem 3D Sensor sei Dank direkt hart. Es ist ungewohnt aber sehr angenehm nicht einmal einen Finger zur Fernbedienung rühren zu müssen.
Ich könnte jetzt versuchen meine Erfahrungen erst einmal etwas sachlicher auszudrücken aber nein, ich fand die Gabel echt geil!
Dieser ersten kleinen XC Trailhetz folgten natürlich noch etliche Testfahrten, die meine Erfahrungen präziser gestalteten. Insgesamt nutzte ich die Gabel etwa fünf bis sechs Mal pro Woche an meinem Focus Raven 29r und auch im Renneinsatz, wie die Bilder zeigen. Wie bereits kurz angesprochen, war die Sensibilität der Gabel auf kleinste Schläge zu Beginn der Testphase nicht perfekt. Das Losbrechmoment war höher als bei meiner vorher gefahrenen Fox F32 CTD, dafür das lästige Wippen im offenen Modus nicht so stark. Nach etwas Einfahrzeit besserte sich die Sensibilität zwar aber es handelt sich bei der TS8 eben um eine eher straffe Race Gabel. Dies ist nicht gleich schlecht zu beurteilen, da viele Fahrer diese extra Portion Feedback vom Untergrund sogar wünschen, während andere lieber 100% Komfort bevorzugen.
Die Federkennlinie erschien mir eher progressiv. (Erklärung: Bei einer progressiven Kennlinie wird der nötige Kraftaufwand größer, je tiefer die Federgabel eintaucht.) Die Gabel gibt im ersten Teil des Federwegs schnell Federweg frei, besitzt aber stets Reserven für Sprünge oder ähnliches. Mir persönlich passt dies für meinen XC Race-Einsatz gut.
In steilen Passagen musste ich dann aber doch einen kleinen Makel feststellen. Muss man in einem Steilstück ordentlich an der Vorderbremse zulangen, so sackt die Gabel etwas in den Federweg und man hat etwas weniger Reserven. Hier gefiel mir eine Fox CTD ganz einen kleinen Tick besser.
Auf meiner Prioritätenliste weit oben steht definitiv auch die Steifigkeit. Auch wenn ich nur 65kg auf die Waage bringe, konnte mich in schnellen Kurven oder beim harten Anbremsen bisher nicht jede Gabel beeindrucken. Die Magura schafft es aber, mich mit ihrer 15mm Achse und dem optisch markanten „Dual Arch Design“ definitiv zufrieden zu stellen. Die Bremssteifigkeit und auch die Torsionssteifigkeit in Kurven sind für mich mehr als ausreichend. Super!
Das Herzstück der Gabel, das eLECT System, konnte mich nach der ersten Testfahrt auch weiterhin zufriedenstellen. Vor dem Test befürchtete ich Verzögerungen oder Trägheiten aber feststellen konnte ich keine.
Konsequent öffnete sich die Gabel für Abfahrten und schloss sich für Uphills. Aber ist das wirklich immer perfekt? Nicht ganz, denn rase ich aus einer Abfahrt in einen Gegenanstieg mit Wurzeln, so ist die Gabel gelocked. Die Wurzeln werden also keineswegs weggefedert. Komfort hat man in solchen Situationen keinen und natürlich ist es auch nicht die schnellste Möglichkeit. Möchte man in einer Straßenabfahrt einen kleinen Sprint ansetzen, so ist die Gabel ebenfalls unpassend geöffnet.
Der Fahrer muss also doch etwas nachhelfen und gelegentlich zur Lenkerfernbedienung greifen. Diese macht aber auf jeden Fall ihre Sache perfekt. Drahtlos und dennoch ohne Verbindungsprobleme verrichtet sie ihren Dienst. Einmal drücken und die Gabel ist zu, nochmal drücken und sie ist auf. Hohe Bedienkräfte wie bei alten Bowdenzug-Fernbedienungen braucht man keineswegs.
Aber was ist, wenn ich wieder in den Automatikmodus möchte? Schade, hierfür muss ich wieder an die Gabelkrone greifen. Im Rennen eine gefährliche Angelegenheit. Ein zweiter Knopf an der Fernbedienung würde das System angenehmer machen.
Unsere Testgabel zeigte sich mit ungekürztem Schaft und Fernbedienung mit 1724g auf der Waage. Ein durchschnittlich guter Wert, wenn auch kein Highlight. Skeptikern sei aber gesagt, dass dies auf keinen Fall an der eLECT Einheit und Fernbedienung liegt, denn das neue System spart zum DLO2 Vorgänger sogar 15g. Grammfeilscher sollten jedoch beachten, dass keine leichten 160mm, sondern nur 180mm große Bremsscheiben verbaut werden können.
Für mich ebenfalls ein kleines Manko ist die nicht vorhandene Schnellspannachse. Die Achse muss mit Hilfe eines Torx T25 Schlüssels gelöst werden. Das ist zwar problemlos möglich aber im Rennen kann es einige Sekunden kosten. Praktisch ist jedoch, dass sich das Werkzeug in die Steckachse der Gabel stecken lässt und so stets dabei ist. Ein nettes Detail sind ebenfalls die kleinen Plastiknoppen unter der Gabel. Stellt man das Bike mal ohne Vorderrad auf den Asphalt, so verkratzt kein Lack.
Erst nach 40 Stunden Betriebsdauer im Automatik Modus und 60 Stunden im manuellen Modus muss die Gabel aufgeladen werden. Dies geschieht sehr einfach über das mitgelieferte Micro USB Ladegerät (baugleich mit Samsung Handyladegeräten), das man nach Abschrauben des Deckels der eLect Einheit einfach in die USB Schnittstelle steckt. Unter dem Deckel verbirgt sich ebenfalls der An/-Ausschalter des eLect, den man nach und vor jeder Fahrt betätigt. Hat man mal keinen Strom mehr, so ist kein Lockout verfügbar, die Gabel befindet sich dann im offenen Modus.
Testfazit:
Insgesamt konnte die Magura TS8 eLECT Federgabel den XC Testalltag durchaus meistern. Die Federungsperformance der Gabel ist eher straff, nicht super sensibel aber durchaus gut. Die Steifigkeit ist auf sehr hohem Niveau und das eLECT System begeistert sehr. Abgesehen von den kleinen Schwächen, ist man stets im richtigen Federungsmodus, ohne nur einen Finger zu rühren. Beim Kampf um jede Sekunde in einem Wettkampf kann diese Tatsache durchaus sehr wichtig sein.
Mich konnte die Integration von Sensoren ins Mountainbike also voll begeistern. Demnächst wird von Magura auch ein Dämpfer erhältlich sein, der analog zur Federgabel die Informationen der Sensoren verarbeitet und dann für ein komplett geschlossenes Fully-Fahrwerk sorgen kann. Ich bin gespannt an welchem Punkt wir bezüglich Fahrwerken in 10 Jahren sein werden, denn schon diese Gabel zeigt den zu erwartenden Fortschritt.
[box type=“info“]Dieser Testbericht stellt nur meine ersten Erfahrungen nach wenigen Wochen Testeinsatz dar. Gegen Saisonende werde ich einen weiteren Bericht erstellen, der dann auch auf die Dauerhaltbarkeit eingeht und die bisherigen Erfahrungen bestätigt oder widerlegt. [/box]Datenblatt zur getesteten Federgabel:
- 29“, 100mm Federweg
- Inklusive Lenkerfernbedienung ungekürztem Schaft: 1724g
- Betriebsdauer: 40 Stunden im Automode, 60 Stunden im Manualmode. Aufladbar über Micro-USB Ladebuchse.
- elektronisch gesteuerte Lockout-Funktion (eLECT)
- M15 mm Steckachse mit T25-Tool
- Gabelschaft tapered 1 1/8″-1,5″
- Einstellmöglichkeiten: Zugstufe, Vorspannung (Luftdruck)
- Scheibenbremsaufnahme: PM7“ (mindestens 180mm Bremsscheibe, max. 210mm.)
- Standrohrdurchmesser: 32mm
- Material: Aluminium
- Inkl. Bremsleitungsführung am Tauchrohr
- Inkl. Micro USB Ladegerät
- UVP: 1.349,00 €
Interessant:
Eine eLECT Einheit kann in jede Magura Gabel ab Modelljahr 2010 bis zu einem Federweg von 150mm nachgerüstet werden!
Bild 3: (c)Robert Timmermann; www.robmeyer.de
Bild 2 und 7: DDMC Solling, Warm Up Marathon Hellenthal
sonstige Bilder: (c) Dominik Voss (rund-ums-rad.info)