Der Aufschrei in der Mountainbikewelt war unvergleichlich groß nach dem letztjährigen Cross Country Worldcup in Nove Mesto, CZE: Manuel Fumic vom Cannondale Factory Racing hatte es doch tatsächlich gewagt, ein Cross Country Rennen in einer Baggyhose zu bestreiten.
Damit hatte Fumic den inoffiziellen Dresscode des XC-Sports gebrochen und für Gesprächsstoff gesorgt. Weiteres Öl wurde in Feuer der Kritiker gegossen, da er „nur“ mit einem zwölften Platz Rennen beendete. Den deutschen Meister erwartet man eigentlich unter den Top Ten oder Top Five. Die Shorts würden die Leistung schmälern, außerdem bleibe man zu schnell an Sattel oder Ästen hängen, so ihre Argumente.
Fumic beim Cyprus Sunshine Cup; (c) EGO-Promotion / by M. Gaertitz
Doch die Befürworter der Short freuten sich über den Schritt vom deutschen Meister Fumic, der so mehr Style und Lässigkeit in den leistungsorientierten XC Sektor gebracht hatte. Auch aus dem DH-Lager konnte man ein Raunen entnehmen. „Seid ihr endlich mal zu einem Style Bewusstsein gekommen?“ -stichelte ein Kumpel von mir.
Bisher war ich immer Lycra gefahren und in der MTB Bundesliga oder beim NRW Cup war es einfach üblich. So wie es sich (eigentlich) für reinrassigen XC-Racer gehörte. Bis vor kurzem….
Ein Test: Baggy im XC Sport
Die Wahl war schnell getroffen. Die Vaude Fisk Shorts in der Farbe Basalt zog mich in ihren Bann. Mit dem orange Grauen Design passte sie außerdem gut zum Trikot meines Focus RAPIRO Racing Teams. Hups. Da kam es schon das erste Mal. Das Stylebewusstsein des Mountainbikers. Dabei hatte ich die Hose noch nicht mal an.
Produktbild (c) Vaude Sport GmbH & Co. KG
Netterweise stellte uns Vaude diese Hose schnell zum unabhängigen Test bereit.
Der erste Eindruck:
Frisch aus dem Karton weckt die Hose Lust aufs Rad zu steigen und loszufahren. Das Orange sticht super ins Auge, dazu stimmt es noch genau mit meinem „RAPIRO-Orange“ überein. Freude bereiteten außerdem die vielen verfügbaren Taschen, so waren iPhone, Haustürschlüssel und Multipower-Riegel schnell verstaut.
Der neue stylebewusste Biker in mir machte schon Purzelbäume vor Freude. „Die sieht fesch aus! Rauf aufs Rad und Stylepunkte sammeln!“
Nachdem ich in die Hose gestiegen war meldete sich schon der geschwindigkeitssüchtige, Vollblut XC-Racer bei mir: „Naaa die Hosenbeine sind doch ein bisschen lang, die Flattern doch bestimmt und kosten Sekunden. Die Aerodynamik eine klare 5. Außerdem sitz die Hose doch ein bisschen weit, bleibst du da nicht am Sattel hängen? Das kostet alles wertvolle Zeit! Du siehst aus wie so ein Downhiller, der sein Rad bergauf schiebt! Deine Gegner werden dich auslachen, wenn du dich so vor denen warmfährst“
Letztendlich konnten sich die beiden darauf einigen, dass die Hosenbeine wirklich ein bisschen lang waren und so knapp über meine Kniescheibe gingen. Schuld daran ist jedoch nicht der Schnitt der Hose, sondern meine kurzen Beine. Bekanntes Problem.
Der Rest der Baggy saß perfekt wo er ein sollte. Die mitgelieferte Polster-Radhose zur Verwendung unter der Baggy saß ebenfalls perfekt da. Durch die Klettverschlüsse am Hosenbund konnte ich die Hose gut auf meinen Körperumfang einstellen, ein separater Gürtel wird nicht gebraucht.
Die erste Fahrt:
Kaum war ich auf dem Rad, hatten sich auch die beiden Experten von stylebewussten Mountainbiker und Geschwindigkeit süchtigen XC-Sportler auf meiner Schulter niedergelassen. Fast im Minutentakt warfen sie sich Sätze zu: „Hast du das gesehen wie dir die beiden Schnitten hinterhergeguckt haben? Das wär dir ohne die Baggy doch nie so passiert. Die denken sich jetzt auch: ‚Ein Radsportler mit Style, den wollen wir!‘- „Unsinn, die wollen deinen Hintern lieber in Lyrica sehen Mann! Außerdem hättest du eben beim Ampelduell mit diesem Benz in deiner normalen, hautengen Radhose ja wohl nicht so den kürzeren gezogen.“
Nach der Traileinfahrt fuhr ich wohl zu turbulent, denn die beiden verschwanden von meiner Schulter und streiten wahrscheinlich heute noch irgendwo im schönen Deister nahe Hannover.
Ich selbst genoss die erste Fahrt in Baggy wirklich sehr. Tragekomfort und Belüftung sprachen eine deutliche Sprache. Es war angenehm die Baggy knapp über dem Allerwertesten zu tragen.
Einzig im Wechsel von Sitzposition Sattel zu Wiegetritt gab es einen größeren Reibungswiederstand zu verzeichnen als bei den eng sitzenden Lyrica Hosen. Logisch. Irgendwo muss der großzügige Schnitt ja einen Knackpunkt haben. Als sehr störend empfand ich dieses Phänomen trotzdem nicht.
Im Alltag
Den Eisdielencheck bestand die Vaudehose mit Bravur. Man fühlt sich deutlich lässiger mit einer Baggyhose in der Stadt als in herkömmlicher Lyrica Radhosen. Sportlich wirkt man dabei aber trotzdem.
Stärken:
Besonders gut gefiel mir die Baggy im Gebrauch bei Sauwetter. Dort stellte sich heraus, dass man mit einer Baggyhose deutlich länger gegen Durchweichen geschützt ist, und locker 2-3 Stunden ohne Schutzblech in Pfützen und leichtem Regen spielen kann ohne einen nassen Hintern zu bekommen. Prima!
Auch ohne die Radhose , die unter der Baggy getragen wird, kann die Hose zu anderen Radhosen kombiniert werden und verrutscht nicht. So kann der neue stylebewusste Biker die Hose mit vielen anderen Outfits kombinieren.
Anders als Lyrica Hosen kann eine Radbaggy auch in der Freizeit problemlos getragen werden. Eine Hose, zwei Funktionen-TOP!
Schwächen:
Bei langem Starkregen saugt sich die Hose regelrecht voll mit Wasser und wird schwer, darunter leidet dann der Tragekomfort.
Der stylebewusste Biker möchte natürlich seine rasierten Beinchen in besten Braun vorzeigen. Mit einer Baggy, die bis über die Kniescheiben geht, kommt man natürlich dort nicht ans Ziel.
Auf meinen Oberschenkeln rieb die Baggy teilweise sehr herum. Bei empfindlichen rasierten Bikerbeinen kann das Pickel und Irritationen verursachen.
Umwelt:
Die Fisk Shorts wurde von Vaude im Green Shape Verfahren hergestellt. Somit kann man sich als Biker sicher sein, dass man ein umweltfreundliches Produkt ,welches mit recylebaren Stoffen und umweltschonenden Farben gebleicht wurde, auf dem Körper trägt. Gut fürs Gewissen und für die Umwelt, in die wir uns gerne zurückziehen.
Preis: UVP 90 Euro (Quelle: Vaude)
Radblogs-Fazit:
Ein XC-Sportler kommt um eine Baggyhose nicht drum herum. Beim Training im Regen ist diese aber deutlich zu empfehlen. Auch an einem Rennwochenende ist eine Baggy trumpf. Beim Streckeabfahren nochmal in sich gehen und locker die Strecke checken oder gar nach dem Rennen auf dem Podium einen gute Figur abgeben. Hier hat die Baggy deutlich Vorteile gegenüber der Lyrica Hose. Für eine gemütliche Radtour mit der radsportbegeisterten Familie oder für Freizeitgestaltungen ohne Rad empfiehlt es sich eine Baggy im Schrank zu haben!
Lesehinweis: weiterer Testbericht einer XC spezifischen Baggy: http://www.rund-ums-rad.info/endura-singletrack-shorts-ii/