Das Zillertal lud zur fünften Zillertal Bike Challenge ins schöne Österreich. Drei Tage quälen im Herzen der Alpen. Grund genug für die beiden Rund-ums-rad Autoren Dominik und Lukas sich dem Rennen zu stellen…
Allgemeines:
Bei der dreitätigen Zillertal Bike Challenge kann jeder Fahrer aus drei Kategorien wählen. Die extremen Biker bewältigen in der Profikategorie „King / Queen of the Mountain“ während der drei Tage zirka 200 Kilometer und gut 9.100 Höhenmeter.
Ambitionierte Mountainbiker mit Rennerfahrung und Nachwuchsbiker können als „Prince / Princess of the Mountain“ ihr Können unter Beweis stellen. Auf sie warten noch immer stattliche 160 Kilometer, gespickt mit 5.300 Höhenmetern, die es in den drei Renntagen zu bestehen gilt.
Dem Spaß am gemeinsamen Biken können Hobbyfahrer und Renneinsteiger in der Kategorie „Lord / Lady of the Mountain“ mit einer verkürzten Streckenführung und mäßigen Anstiegen (120 Kilometer und 3.500 Höhenmeter) frönen. In den beiden niedrigeren Kategorien gibt es den „First Class Service“ der Zillertaler Bergbahnen, mit denen ein bis zwei Anstiege pro Tag erleichtert werden. Das Ziel ist aber für alle gleich: der Hintertuxer Gletscher.
Unser Erlebnisbericht:
Schon auf der Anreise mit dem Auto wichen unsere Augen oft von der Fahrbahn hinauf zu den Bergen. Immer wieder atemberaubend ist ihr Anblick. Noch erhabener dann der Augenblick, als wir das Zillertal in Jenbach das erste mal zu Gesicht bekommen: Strahlender Sonnenschein, wolkenfreier Himmel, 34 Grad Celsius und ein wunderschönes Panorama.
Als wir die Talstraße weiter entlangrollen und Fügen passieren, nochmal der Blick zu den Gipfeln: „Puh, das wird kein Zuckerschlecken“ raunt Lukas mit Blick auf das morgige Höhenprofil der ersten Etappe der Zillertal Bike Challenge.
Zusammen haben wir trotz unseres Alters schon einiges an Rennerfahrung gewinnen können, doch ein Etappenrennen ist für uns gänzlich neu. Dominik geht für den Radhersteller Müsing-Bikes und Lukas für sein Focus Rapiro-Racing Team an den Start. Als U23 Fahrer starten wir in der Prince Kategorie.
Gerade noch pünktlich erreichen wir endlich das Ridersmeeting. Hier werden alle Fahrer verpflichtend für die morgige erste Etappe gebrieft – sehr professionell! Relevante Schlüsselstellen, Hinweisschilder und Höhenprofile werden uns hier erklärt. Ein feiner Sicherheitsaspekt für jeden Biker. Danach noch der Apell: Trinken, Trinken, Trinken – das glauben wir gerne, nachdem die Wettervorhersage für morgen eine Temperatur von über 30° vorhersagt.
In Fügen erhalten wir schließlich auch die reichhaltigen Starterbeutel. Neben Verpflegung sind in dem Beutel die wichtigen Höhenprofile und die individuelle Startnummern mit Namen – toll! Außerdem beinhaltet das Startpackage eine Info-Zeitung. Hier stehen (bilingual) alle wichtigen Informationen rund um die ZBC 2015 bereit.
Bei der obligatorischen Pasta-Party füllen wir unsere Kohlenhydratspeicher und besprechen die Taktik für morgen: Wir wollen es beim ersten Tag des Etappenrennens etwas ruhiger angehen lassen – die Tage werden sicher lang. Nachdem der leckere Teller im Magen gelandet ist, bringt uns der nette junge Mann in traditioneller Lederhose ein eiskaltes Almdudler Getränk. Hätte wir zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass er Lukas drei Tage später mit einer Heldentat vor der Ohnmächtigkeit bewahrt, wir hätten sicher noch auf die Bruderschaft getrunken!
Etappe 1- Wann hört dieser Berg endlich auf?!
Startschuss. Wie die bekannte Fliege ins Licht, strampeln 500 nervöse Biker dem Führungsfahrzeug des Zillertal-Sponsors BMW hinterher. Wie ein Stier vom roten Tuch gereizt rasen wir durch die engen Gassen von Fügen und versuchen uns etwas durchs Feld zu wühlen.
Die Stimmung ist gut. Spätestens an der Schule des kleinen Alpenörtchens ist Gänsehaut angesagt: Die Schüler stehen in Reihe und lassen sich von den Fahrern unter lauten Anfeuerungsrufen abklatschen. Hier im Zillertal wird sogar der Unterricht für uns Biker unterbrochen? Wo gibt es denn sowas? Wäre nicht das Summen meiner Stollenpneus unter mir zu hören, hätte ich mich glatt wie John Degenkolb bei der Tour de France gefühlt. Wahnsinn!
Nach ein paar Asphaltkilometern geht es dann in den ersten Anstieg der insgesamt 68km und 2450 Höhenmeter. Puh die Zillertal Bike Challenge zeigt gleich ihre Zähne – das Höhenprofil ist kein Zuckerschlecken. Zum Glück folgt nach 1000 Höhenmetern die erste Bergbahn, um den Gipfel Hüttenkogel zu erreichen.
Es geht weiter – direkt nach der Bahn darf zwar etwas entspannt werden aber die extrem schnelle Forst- und Asphaltabfahrt fordert höchste Konzentration. Fast 2000 Höhenmeter rasen wir im Renntempo bergab, erst im hitzigen Tal bemerken wir, was wir für einen Temperaturunterschied mitgemacht haben. Schnell eine Wasserflasche an der Verpflegung geschnappt und ab an den nächsten Berg. Dieses mal ohne Schatten und ohne Bergbahn. Stattdessen 1500 Höhenmeter am Stück. Erst in Asphaltserpentinen, dann auf Schotter windet sich der Weg bergauf. Mit jedem Tritt entzieht es uns Energie und der Schweiß rinnt dahin. Nach insgesamt drei Stunden Fahrzeit werden die Qualen auf keinen Fall lockerer und die Luft immer dünner. Als wenn uns die Sonne nicht schon genug zu schaffen macht, nimmt auch der Baumbewuchs immer mehr ab. Immer wieder der Blick auf den Kilometerzähler und Höhenmesser: Wann hört dieser Berg endlich auf?!
Völlig ausgelaugt ist es dann soweit, ein Streckenposten zeigt mit dem Arm nach unten.
Die letzte Abfahrt des Tages steht an. Nach wenigen Minuten Forstweg stürzen wir uns in den 2012 erbauten Wiesenalm Trail. Mal flowig mit Anliegern und Bumps, mal mit Steinpassagen gespickt, fordert der Trail viel Konzentration auf den letzten Metern der Etappe aber bringt auch eine riesige Portion Fahrspaß.- Wow, einen solch anspruchsvollen Trail hätten wir echt nicht erwartet! Auch wenn unsere Körper bereits nach Erholung schreien, zeigt der Trail immer mehr fahrtechnische Finessen, wie kleine Northshoreelemente und Spitzkehren.
Nach 1,3 km Durchgerüttel schießen wir schließlich auf Asphalt die letzten Meter bergab ins Tal, zum Ende der ersten Etappe in Zell am Ziller.
Mit einem Eiweißshake in der Hand geht es direkt zu den Ergebnissen: Platz 5 für Dominik nach 3:32 Stunden und Platz 10 für Lukas in der Altersklasse U23.
Etappe 2- das Fahrerfeld trauert
Am Abend nach der ersten Etappe erreichte uns eine überaus schockierende Nachricht. In der ersten Abfahrt kam es zu einem tragischen Unfall. Nachdem ein in Österreich wohnhafter Teilnehmer nach Zielschluss nicht im Ziel angekommen war, begann die Bergrettung mit der Suche nach dem Fahrer. Sie fanden ihn im Bereich der Zillertaler Höhenstraße Abfahrt Kaltenbach unterhalb der Mautstelle. Dort konnte er 50m unterhalb der Straße nur noch Tod geborgen werden.
Aus Respekt vor dem Verstorbenen beschlossen die Rennleitung und der Veranstalter den Teilnehmern freizustellen, ob sie an der zweiten Etappe teilnehmen wollen oder nicht. Teilnehmer und Veranstalter gedachten zudem in einer Schweigeminute dem verstorbenen Sportsfreund.
Rest in Peace. An dieser Stelle möchten wir den Angehörigen unser tiefstes Beileid aussprechen.
Ziemlich erschüttert von dem Vorfall beschlossen wir, nur ein Teilstück der zweiten Etappe zu befahren und ein Großteil des Fahrerfeldes tat es uns gleich.
Etappe 3- mit dem Rad auf den Gletscher
„Heute müssen wir echt was reißen! Im Gesamtklassement ist noch einiges offen…!“ Motiviert bis in die Zehenspitzen aber auch mit großem Respekt vor der letzten Etappe starten wir in Mayrhofen Richtung Hintertuxer Gletscher. Strecke machen wir heute nicht, denn es stehen nur 34km an. Stattdessen gehts mächtig bergauf, 1450 Höhenmeter.
Den ersten Anstieg bewältigen wir mit der Horbergbahn, bis wir dann fast schon in Cross-Country Manier von der Gondel in den ersten Berg sprinten. Kräfte einteilen? Wird schon gehen, heute stehen ja nur etwa zwei Stunden an und wenn Dominik seinen fünften Platz im Gesamtklassement verbessern möchte, muss es halt schonmal wehtun.
In brennender Hitze windet sich der erste Anstieg eher moderat zum Penkenjoch auf 2095m. Die letzten Meter werden aber so oder so schmerzhaft, bei dem Tempo das heute an den Tag gelegt wird. Nach einer kurzen Verschnaufspause im flachen, heißt es dann nochmal richtig beißen. Hinauf zur Wanglalm stellen sich zwei scheinbar senkrechte 23% Rampen in den Weg. Schon von weitem kann man schiebende Teilnehmer erkennen. Völlig erschöpft verstärkt das nicht gerade den Mut, wir haben ja schon mehr als 500 Höhenmeter Vollgas hinter uns. Zu allem Übel ist der Untergrund extrem locker und hier und da weichen wir nach Grip suchend auf den Rasen aus.
Trotz einiger Wackler ist auch dieses Stück irgendwann mit brennenden Oberschenkeln bezwungen und es geht in die Schotterabfahrt. Hier das gleiche Spiel, nur eben bergab. Extrem steiles Gefälle und loses Geröll sind in Kombination nicht gerade leicht zu beherrschen. Schon in der ersten Kurve kommt Dominik ins straucheln, kann sich aber mit dem linken Fuß nochmal abfangen. Hier ist Fingerspitzengefühl an der Bremse gefragt.
Im Örtchen Vorderlanersbach angekommen, beginnt wieder die anstrengende Hatz nach den Sekunden. Gepeitscht von einigen Zuschauern und in möglichst aerodynamischer Manier rasen wir auf der nur leicht ansteigenden Tuxerlandesstraße immer in Richtung Talstation der Gletscherbahn. Auch wenn es sich im Flachen anbieten würde, gönnt sich kein Fahrer der Prince Kategorie Ruhe. Hohes Tempo halten und beißen, denn die letzte Bergbahn spendet nochmal etwas Zeit zum Erholen.
Irgendwie in die Bergbahn straucheln, Energy-Gel schlucken und schon öffnen sich die Türen wieder. Wie so kurz?!…Viel Erholung brachte die Fahrt nicht gerade.
Doch nach den ersten Metern scheint der Gletscher bereits zum Greifen nah. Das Gefühl, es bald geschafft zu haben, treibt besser voran als jeder E-Bike Motor…Naja, eine lange Akkulaufzeit hat das Gefühl aber auch wieder nicht. Nach ein, zwei Serpentinen macht sich wieder die Höhenluft und Erschöpfung breit. Die Beine werden schwer und man denkt nur noch von Kurve zu Kurve: Los, noch ein paar Mal über die Kuppen drücken und dann kannst du gleich Schneeengel auf dem Gletscher machen!
Der Anstieg wird immer steiler und wieder warnen furchteinflößende Schilder vor 23% Steigung. Die Kräfte schwinden und statt von Kurve zu Kurve zu denken, ist nun jeder einzelne Tritt eine Herausforderung. Doch irgendwie geht es immer weiter und das Tuxer Fernerhaus kommt näher. Rechts und links hört man die Teilnehmer nur noch keuchen. An diesem Punkt reduziert keiner mehr das Tempo oder gibt gar auf!
Dann ist es soweit. Sponsorenbanner zeigen den Weg und nach der letzten Kurve eröffnet sich der Blick auf den Gletscher mit seinen Skifahrern. Aus einer Lautsprecheranlage ertönt der eigene Name. Dies ist einer der Momente im Leben, in dem sich eine Sekunde wie mehrere Minuten anfühlt. Es ist geschafft! Angekommen! Der Berg, ja eigentlich sogar das ganze Zillertal, ist erklommen!
Völlig erschöpft sinkt so ziemlich jeder Fahrer zu Boden, so auch Dominik nach 1:49 Stunden Fahrzeit. Lukas aber genießt den Moment, feiert sich und sein Bike. Er reißt es in die Höhe und trägt es über die Ziellinie. Doch nach dem Hoch der Gefühle folgt das Tal. Er bricht halb zusammen. Glücklicherweise erkennt einer der Almdudler-Promoter die Situation und reicht ihm eine Almdudler-Limo. Halb unterzuckert dasitzend, verbessert sich mit dem Getränk glücklicherweise schnell wieder sein Wohlbefinden.
Wir haben es geschafft. Schnell ein Erinnerungsphoto machen und dann wollen wir einfach nur noch genießen. Wir suchen uns einen Platz im Schnee mit Blick ins Tal und auf den Zielbereich und sitzen einfach nur da.
…eins steht direkt fest: Die Zillertal Bike Challenge ist ein Rennen der Extraklasse mit Eindrücken, die man auf keinen Fall vergessen wird.
Zu aller Freude konnte sich Dominik auf der letzten Etappe noch deutlich verbessern und mit einem vierten Tagesrang auch in der Gesamtwertung auf den vierten Platz vorrücken. Lukas konnte seinen guten 10. Platz halten.
Unser Fazit zum Event:
Ein Rennwochenende mit Rund-um-sorglos-Paket? Das gibt es bei der Zillertal Bike Challenge für faires Geld. Eine grandiose, beinharte Strecke wird von einer perfekten Organisation abgerundet. Wo bekommt man sonst eine solch reichhaltige, abwechslungsreiche Verpflegung? Bei der Zillertal Challenge kann man sich dank viel Support als Fahrer auf das Wesentliche konzentrieren: Biken! Stress mit einem defekten Bike oder verhärteten Muskeln gehören der Vergangenheit an. Noch dazu eine Region und ein Streckenprofil der Extraklasse. Wir kommen wieder, keine Frage!
Gesamtergebnis: Kaufmann und Hellstern bleiben King und Queen of the Mountain
Die Gesamtsieger der Königsklasse heißen wie im letzten Jahr Markus Kaufmann (Team Centurion Vaude) und Ann-Katrin Hellstern (BQ Cycling Team). Markus Kaufmann konnte beide Etappen für sich entscheiden und beendete das Rennen mit einer Zeit von 6 Stunden und 9 Sekunden. „Mein Ziel war es heute die Gesamtwertung zu gewinnen. Ich habe schnell gemerkt, dass es mir sehr gut geht“, berichtete Markus Kaufmann im Ziel. „Im Anstieg unten konnte ich mich schon ein bisschen absetzen. Dann hatte ich immer den gleichen Vorsprung. Ich wollte einfach hier oben gewinnen. Es ist eine tolle Atmosphäre am Gletscher, da ist es immer schön, als Erster anzukommen.“ Lukas Büchli (BIXS-IXS Pro Team) und Hermann Pernsteiner komplettieren das Podium.
Im Damenrennen war besonders die erste Etappe ausschlaggebend. Hier konnte die spätere Gesamtsiegerin bereits 18 Minuten Vorsprung herausfahren. Am letzten Tag war es dann aber nicht so einfach: „Es war so hart heute! Ich habe am Anfang überzockt und bin am Schluss voll eingegangen“, berichtete Ann-Katrin Hellstern. Doch ihr Vorsprung reichte und sie konnte auch die letzte Etappe mit 22 Sekunden Vorsprung auf Bettina Uhlig für sich entscheiden und sich so zur Queen of the Mountain küren. Auf Platz drei folgte Gabi Stanger.
Info´s:
- Zum Rennen unter: zillertal-bikechallenge.com
- Zur Region: Zillertal.at
- Unterkunftsempfehlung: Unsere Herberge fanden wir im schönen Zell am Ziller. Genauer: In der Gaudergasse (nein das hat nichts mit dem Käse zu tun) bei Familie Strasser im Hotel Garni Elisabeth. Das Hotel sehr urig und Radfahrer sind bekommen – wir durften unsere Bikes sogar mit aufs Zimmer nehmen! Auch ein frühes Frühstück war kein Problem, sodass wir ausgeruht und gut vorbereitet am Start jeder Etappe stehen konnten. (Link)
[…] Und dabei mussten die Lake Schuhe das ein oder andere Mal ihre Lauffähigkeit beweisen. Bei der Zillertalchallenge in Österreich ging bei fiesen 23% Steigungen nach einer langen Etappe das Licht bei mir aus. Ein Fußmarsch auf […]